"Certain Women" liefert drei Geschichten in einem Film

16.3.2017, 20:00 Uhr

© F.: Peripher

Eine berufliche Beziehung, die tiefer geht als sie eigentlich sollte, eine zufällige Begegnung, die schüchterne Gefühle weckt, und eine Ehe, in der sich die Partner nicht mehr viel zu sagen haben: Vor dem Hintergrund der Rocky Mountains im winterkalten Montana verhandelt Kelly Reichardt drei Konstellationen, in denen Frauen im Mittelpunkt stehen. Rein oberflächlich betrachtet haftet diesen Miniaturen — Basis sind die Kurzgeschichten der US-Autorin Maile Meloy — wenig Spektakuläres an. Dass sie einen trotzdem in den Bann ziehen und man sich schnell für die Hauptfiguren und ihr Schicksal zu interessieren beginnt, hat mehrere Gründe.

Da ist zum einen die Atmosphäre, die durch die unaufgeregte Kameraführung und den genauen, empathischen Blick auf die Protagonistinnen sehr authentisch wirkt. Und da sind die Darstellerinnen, die ihren Figuren viel Lebensechtheit mitgeben. Laura Dern spielt die Anwältin Laura, die es mit einem nervigen Klienten zu tun hat. Der Mann will partout nicht einsehen, dass seine Arbeitsrechtsklage keine Aussichten auf Erfolg hat. In seiner Verzweiflung überschreitet er nicht nur die Grenzen des reinen Geschäftsverhältnisses zu Laura, er fasst auch einen fatalen Entschluss, der die Anwältin tiefer in seinen Fall hineinzieht, als ihr lieb sein kann . . .

Gina (Michelle Williams) dagegen will auf einem abgelegenen Fleckchen Erde ein Haus bauen — für sich, ihre schwer pubertierende Tochter und den Mann, der sie betrügt. Träumt sie davon, ihre zerbrechende Familie zu retten? Man darf sich darüber Gedanken machen.

Und dann ist da noch Jamie (Lily Gladstone), die auf einer Ranch mutterseelenallein als Pferdepflegerin jobbt. Sie schneit zufällig in eine Abendschulstunde und verliebt sich scheu in die Aushilfslehrerin Beth (Kristen Stewart).

Es sind ganz normale Frauen, denen man hier für kurze Zeit mitten in ihrem ganz normalen Leben begegnet. Was sie verbindet, ist neben ihrer Einsamkeit eine diffuse Sehnsucht. Alle vier halten diese Situation, die sich oft in einer Art Sprachlosigkeit äußert, offensichtlich schon seit längerem aus. Aber sie machen weiter, kämpfen sich — ja, auch als Frau — irgendwie durch. Wo sie herkommen und wie es mit ihnen weitergeht, bleibt wie im richtigen Leben ungewiss. Sicher geht es Kelly Reichardt, die nebenbei einen Blick auf die gesellschaftlichen Strukturen in den ländlichen Gebieten der USA wirft, auch um die weibliche Sicht der Dinge. Ein ausgesprochener Frauenfilm ist "Certain Women" deshalb nicht. Vielmehr erzählt er von den kleinen Ereignissen, die das Leben prägen. (USA/105 Min.)

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