Cranach als Musikheld

19.10.2015, 19:42 Uhr

Die 37-jährige Estin, die vor zwei Jahren als Pionierin (Quotenfrauen gibt es da nicht) den Deutschen Dirigentenpreis gewann, sendet lieber klare Signale, als mit Posen zu hantieren. Auch in der Meistersingerhalle ebnet sie den Weg für mitreißende Kraftentfaltung: Zunächst einmal fällt die ruhige Entschiedenheit ins Auge, mit der die schlanke Frau im Samtrock jeden ihrer Protagonisten exakt getimt ins Auge fasst.

Dass dabei immer wieder die Leitmotive hervortreten und um die Wette gockeln wie drei Tenöre beim Galakonzert, mag der Werkauswahl geschuldet sein. Denn ausgesprochen opernaffin ist auch der Kölner Komponist Marc-Aurel Floros, der zum 70. Orchester-Jubiläum der Symphoniker und als Auftragswerk seine „Symphonische Fantasie für großes Orchester“ zur Uraufführung mitgebracht hatte.

Den Renaissancemaler Cranach den Jüngeren und seine Epoche als konfliktreiche Aufbruchs-Ära porträtiert der stilistisch vielsprachige Komponist. Komplett werden seine Opern „Gala Gala“ (titelgebend war 2006 die Ehefrau und Muse des Malers Salvador Dali) und aktuell „Adriana“ (uraufgeführt in Rheinsberg) mit den Librettos seiner Lebensgefährtin, der Publizistin Elke Heidenreich.

Nun also die auf doppelte Länge angewachsene Symphonische Fantasie zum 500. Geburtstag des Luther-Porträtisten Cranach. Die wirkt wie ein aus dem kollektiven Gedächtnis gespeister Soundtrack, belebt mittels einprägsamer Soundzeichen, inszeniert als breiter Erinnerungsstrom. Prachtvolle Plastizität und visionäre Farbigkeit eines Mussorgsky werden in diesen fünf Kapiteln/Sätzen genauso gefeiert wie die junge Wildheit Strawinskys oder das dramaturgische Kalkül des sich im Programm folgerichtig anschließenden Prokofjew.

Furioses Finale

Da zeigte die kammermusikalisch versierte Solistin Liza Ferschtman mit leichthändigerVirtuosität, welche Klippen das zweite Violinkonzert Prokofjews selbst für Unerschrockene bereithält. Obertonreich und zierlich bleibt ihr Ausdrucksspiel bei aller Glut, dezidiert, aber nie aufgebauscht die Phrasierung. Nach der Bach-Zugabe wartete DvoÝáks Sinfonie Nr. 7, mit der die Dirigentin aus der Hauptstadt zum furiosen Finale ihr eigenes Ausrufezeichen hinterlässt. Wie vergoldet schimmern die Blechbläserfanfaren. Und seidenweich legen sich Geigen und Bratschen in die Kurven, bis alles fließt.

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