Das Ding der Woche: "Düsternbrook"

31.5.2019, 11:30 Uhr
Das Ding der Woche:

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Andrea Sawatzki tut es, Joachim Meyerhoff sowieso, Christian Berkel versucht es und Miroslav Nemec auch. Und jetzt hat sich auch Axel Milberg in die Reihe der schreibenden Schauspieler gesellt. Sein stark autobiografisch gefärbtes Buch "Düsternbrook" liest sich flüssig und unterhaltsam.

Es hat durchaus ein bisschen was von "Buddenbrooks", wenn Milberg von der wohlbehüteten Kindheit im wohlhabenden Kieler Elternhaus im großbürgerlichen Stadtteil "Düsternbrook" erzählt. Eine Mutter, die mit dem Hausfrauendasein in den 60er Jahren irgendwie unterfordert ist, für den Stauferkaiser Friedrich II. schwärmt und alles Schöne sammelt, das prächtige Haus mit langer Treppe vor dem Portal üppig dekoriert und von ihrem Mann nicht unbedingt geliebt wird.

Der Vater ist Jäger, der Sohn spielt leidenschaftlich Tennis, er geht wie Schwester und Bruder aufs humanistische Gymnasium. Der Rückblick auf die eigene Kindheit gelingt Milberg, einem der profiliertesten deutschen Fernseh- und Theaterschauspieler (Kommissar Borowski im "Tatort"), mit viel Liebe und Nostalgie, aber nicht unkritisch. Der kindliche Blick auf die Beziehung der Eltern, auf komische Besucher, Reisen in die Alpen und die erste Liebe ist von leiser Selbstironie geprägt.

30 Prozent des Buches sei "autobiografisch grundiert", sagt Milberg selbst, der Rest reine Fiktion. Das ist wohl ein wenig geflunkert. Es gelingt ihm zu gut, die authentische Stimmung von kindlicher Direktheit, Verwunderung über die Verrenkungen der Erwachsenen und pubertären Widerstand heraufzubeschwören.

Etwas bemüht wirkt dagegen die Krimihandlung, die er hinzudichtet: Der miesepetrige Sohn der Lebensmittel-Händlerin taucht in mehreren der kurzen Kapitel auf, hat eine grüne Kiste, in die er sich ein Kind hineinfantasiert, das er fesseln kann, ein Junge verschwindet spurlos, nachdem er bei einer waghalsigen Schlittenfahrt verletzt im Schnee liegt. . . Das ist wohl ein Zugeständnis an die Krimileser.

Spannender ist es aber zu lesen, wie der junge Literaturstudent sich zunehmend langweilt und bei einem Gastspiel von Gert Fröbe seine Berufung zur Schauspielerei entdeckt. Wie er schüchtern, aber unbewusst zielstrebig nach München übersiedelt und den alten Traum von der Bühne eher heimlich träumt. Und sich erinnert an die Unbedarftheit, mit der er das Leben allein in der fremden Stadt angeht, bis ihn schließlich eine Frankreich-Reise mit der großen Liebe konfrontiert.

Dieser Entwicklungsroman ist zurückhaltend witzig, klug und kein Rückblick eines Alternden, sondern ein Bewusstmachen der eigenen Herkunft. Klug und unterhaltsam.

InfoAxel Milberg: Düsternbrook. Piper Verlag, München, 280 Seiten, 22 Euro.

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