Das Scheitern eines Selbstdarstellers

9.7.2012, 00:00 Uhr
Das Scheitern eines Selbstdarstellers

Egozentrik? Egomanie? Klar doch, 2012 wahrlich keine Fremdworte mehr. Doch da gab es ja noch so einen Kandidaten, der sich schon im 18. Jahrhundert gänzlich in den Mittelpunkt der Welt stellte: Anton Reiser, der Titel(Anti-)Held aus Karl Philipp Moritz’ Entwicklungsroman von 1785, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, horchte schon als Jugendlicher intensivst in sich hinein, klammerte sich an seine Befindlichkeiten, wollte Ruhm und Anerkennung. Lehre, Studium, Schauspielerberuf – eine Persönlichkeitsstruktur wie die von Reiser hat zwangsläufig lebenslange Unrast und ein grandioses Scheitern zur Folge.

Wie bringt man dies nun auf einer Bühne zusammen: die für das 18. Jahrhundert erstaunlich offensiv formulierte Ich-Sehnsucht und den hippen Selbstverwirklichungs-Hype heutiger Tage? Das Regie-Duo Mirja Biel und Joerg Zboralski unternimmt erst gar nicht den Versuch, einen Prosa-Text in dramatisierter Form auf die Bühne zu bringen. Es lässt vielmehr zwei Schauspieler (Robert Naumann und Christian Wincierz) Plot und Gehalt der Vorlage erarbeiten, mit viel Technik, Schminke und teils geglücktem, teils albernem Augenzwinkern. Immer voll rein, aber diese Chuzpe verdient Respekt.

Da stört nicht einmal die Schwerstsymbolik: man agiert in einem raumfüllenden Spiegelkasten, der beständige Selbstbetrachtung zulässt. Die Akteure lesen Textteile vor und spielen bedeutsame Stationen in Reisers Leben nach: Das versunkene „Schlacht um Troja“Spiel des Kindes kommt als ein mit Mini-Cam live gefilmter stummer Scherenschnitt-Film daher, „Pfarrer“ Christian Wincierz lässt in pastoralem Furor und mit E-Gitarre die „Hells Bells“ der Hardrock-Band

AC/DC läuten. Überall lauern Kameras, das Ich wird ständig beobachtet.

Die „Faust“- und „Hamlet“-Darbietungen des Möchtegern-Mimen Anton Reiser geraten dank schalkhafter Ton-Experimente komplett zur Farce. Verkleidung und Verstellung klappen nicht. Die Schauspielerei als eitle Selbstdarstellung endet im Fiasko. Zum Thema Ich-Hybris hat bereits zu Beginn des Abends Christian Wincierz als angespannter Halbnackter einen sarkastisch geraunten Kommentar abgegeben – nach den „Wichtig“-Klängen der Band „Die Sterne“.

Also viel Budenzauber, mit der Gefahr, durch optische und akustische Oberflächenbrillanz den guten Reiser etwas aus den Augen zu verlieren. Doch man kriegt die Kurve und findet zum runden Schluss, der freilich ein tragischer ist und auch sein muss: Reiser alias Wincierz alias Marilyn Monroe im Glitzerkleid darf Frank Sinatras melancholische Lebensbilanz „My Way“ ins Mikrofon hauchen, noch einmal wird vorgelesen, gemeinsam gibt man sich die Kugel. Langweilig ist das nicht.

Nochmals 16. und 17. Juli, KartenTelefon: 09131/862511 oder unter www.theater-erlangen.de

 

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