Der alte König erliegt seinem Wahn

27.2.2015, 19:50 Uhr
Der alte König erliegt seinem Wahn

© Curtis Dance Affairs

Auch diesmal ist es eine stark eingekochte Essenz der großen Tragödie geworden: Shakespeares Fabel vom alten König, der sein Reich unter seinen drei Töchtern aufteilt, ist hier vor allem die Geschichte eines Vaters, der von den Schmeicheleien seiner Kinder geblendet wird. Seine Lieblingstochter Cordelia verweigert nicht nur die Schleimerei, sondern tritt gar nicht erst auf. Ein kluger Schachzug von Curtis, denn die Sehnsucht und die Angst vor dem Wahnsinn stehen so bald im Mittelpunkt. Erst spät reut es Lear, dass er Cordelias Liebe nicht erkannt hat.

Am Anfang der von allen Nebenfiguren befreiten Geschichte steht aber die große Show: Zwei Cheerleaderinnen (Tina Essl, Eva Borrmann) stürmen zu rasanten Beats aus dem Publikum, vor dem geschlossenen Vorhang spielt Stefan Drücke dazu Varieté-Chef: Versprochen werden nicht nur Sex, Drugs and Rock’n’Roll, sondern „a Drama of Love and Death“.

Gebührend dramatisch auch der Auftakt auf der in Schwarz-Weiß-Grau gehaltenen Bühne: Curtis gibt in prächtiger Robe und Perücke den König, singt „When the Curtain falls“ auf den James-Bond-Titelsong „Skyfall“ und leitet so den Anfang vom (Königs-)Ende ein. Ähnlich ironisch geht es immer wieder zu in „Four Lear“, der großen Tragik des Alterns gewinnt Curtis oft die witzigen Seiten ab.

Trauer und Angst

Der alte König erliegt seinem Wahn

Umso erstaunlicher, dass im Fortgang die Geschichte immer mehr eins zu eins gespielt wird. Bruchstücke aus dem Shakespeare-Drama werden deutsch und englisch zitiert. Als die beiden Töchter (Essl und Borrmann) ihr athletisches Tanzsolo gezeigt haben, um ihre Liebe zu beweisen, und Stefan Drücke als Bote und Narr von der dritten, Cordelia, ausrichten lässt, sie liebe ihren Vater, wie es sich gebührt (nicht mehr und nicht weniger), trifft Lear die folgenreiche Entscheidung. Trauer, drohender Wahnsinn, Angst stellt Susanna Curtis – mittlerweile nur noch im Hemd — mit großem schauspielerischem Talent, aber ungebrochen als große Tragödie dar.

Da tut es gut, dass Stefan Drücke in wechselnden Rollen als Narr, Earl von Gloucester oder dessen eitler Sohn Edmund mit Tutu und Pudelmütze, in glänzend weißem Anzug oder fast nackig für die ironischen Momente sorgt. Eitle Körperertüchtigung, geckenhafte Tänzchen und sogar eine Zaubernummer, bei der er gänzlich verschwindet, passen zum Show-Konzept vom Anfang.

Im immer nüchterner werdenden Königreich zwischen schwarzen Podesten und vielseitig verwendbaren offenen Quadern (Bühne und Kostüme: Johanna Deffner) fällt der König und Übervater allmählich in den Wahn. Die Botschaft ist die seit William Shakespeare bekannte. Merke: Altern ist nichts für Feiglinge, erst recht nicht, wenn man ein eigensinniger König ist.

Weitere Aufführungen: Heute sowie 29./30. April und 11./12. Juni, Karten gibt es unter Telefon 09 11/2 16 22 98.

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