Der mit dem Wolf um die Wette swingt

25.11.2013, 00:00 Uhr
Der mit dem Wolf um die Wette swingt

© Horst Linke

Showtime lag in der Luft, und Sympathiefunken sollten überspringen aus dem Gipfeltreffen vermeintlicher Genre-Gegensätze, da doch Klassik und Jazz seit Gershwin und Bernstein längst hervorragend korrespondieren.
Hier also warb die Swing-Kompetenz des elastisch auf den Fersen wippenden Chefdirigenten für die Gewandtheit des Nürnberger Orchesters; dort präsentierte der souveräne Bandleader aus Fürth sein Gespür für Sound – für herrlichen Panorama-Jazz, in 3D und Technicolor. Der 1965 geborene Fürther hat schon vor 30 Jahren sein erstes „Swing it!“-Konzert gegeben. Da hätte es die zum Finale zelebrierte „kleine Battle“ zwischen scheinbaren Antipoden gar nicht mehr gebraucht, um publikumswirksam vorzuzeigen, was man heute aneinander haben kann.

Schwer und leicht

Doch die Uraufführung von „Swap the Jazz“ (Komposition Thilo Wolf, Orchestrierung Christoph Müller) zeigte noch einmal beispielhaft, dass der bereits auf der elterlichen Couch via Fernsehballett und Peter Frankenfeld unheilbar mit dem Showvirus infizierte Big-Band-Chef das Schwere überaus leicht erscheinen lässt.
So pendelt er souverän zwischen Kuschel-Lounge und Wein-Schoppen am linken Bühnenrand sowie dem Platz an der Sonne im Zentrum. Tänzelt zum Flügel und dann auf den Tasten mit enormer Spannbreite - hinüber und herüber – zaubert homogene Flächigkeit in nebulösem Blau: ist Treibauf, Träumer, großer Zampano und lacht dabei auch nett. Überall und nirgends zugleich lässt er sich nieder in all diesen Rollenklischees – und agiert dabei so einnehmend und unbeschwert, wie es nur rare Bühnentiere können, die es erst gar niemandem recht machen müssen und dafür Zustimmung ernten dürfen.

„Dangerous Liaisons“ hieß im ersten Programmteil eine in vielerlei Holzbläser-Klangfarben zwitschernde und sich in mächtige Beschleunigungskurven legende Komposition des belgischen Trompeters Bert Joris, die erstmals Ernst machen sollte mit der Fusion. Die erwies sich rasch als Freundschaftswerbung mit Wohlfühlcharakter. Spätestens mit dem Duke-Ellington-Klassiker „Night Creature“ zeigte sich, dass rhythmische Präzision und expressive Jazzrhetorik auch im orchestralen Großformat zu haben sind.
Zuerst allerdings tut sich dafür noch ein Abgrund auf am Flügel: zwischen dem höllentiefen Grummeln aus dem Bass und dem schwerkraftlosen, geisterhaften Flimmern in der rechten Hand. Auf leisen Pfoten lässt Wolf nun das eigentliche Thema hereinkommen – jene unwiderstehliche, hypnotische Tonfolge, die Shelley in seiner nächsten Ansage schlichtweg als „wahrscheinlich geklaut“ identifiziert – „kennen Sie Beethovens drittes Klavierkonzert?“

Gelungene Umarmung

Shelley selbst kannte sich im Beethoven-Kosmos zunächst besser aus als im Jazz-Universum. Seine Mutter habe ihn am Klavier unterrichtet, schon mit vier Jahren. Es habe gut weitere vier Jahre gedauert, bis der fleißige Sohn nicht mehr brav sein wollte und sich wenig später als Akt der Rebellion zunächst dem Jazz verschrieb. Keith Jarrett sei sein Vorbild gewesen – und dies hatte die Mutter wunschgemäß enorm entsetzt.
Zuvor noch hatten Bernsteins farbenfroh orchestrierte Ouvertüre zu „Candide“ und Gershwins „Symphonic Picture: Porgy and Bess“ den symphonischen Teppich ausgelegt für diese gelungene Umarmung zweier Sympathieträger und Entertainer, die sich und den Jazz und das Publikum auf amüsante Weise umgarnen. Unbedingt wiederholenswert!
 

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