Die Kunsthalle Nürnberg entführt ins Wunderland der Zwiespältigkeit

14.2.2020, 19:30 Uhr
Die Kunsthalle Nürnberg entführt ins Wunderland der Zwiespältigkeit

© Foto: Stefan Hippel

Als bildende Künstler entführen Claus Richter und Cosima von Bonin in ein Wunderland der Zwiespältigkeit. Scheinbar Harmloses wächst monumental über sich hinaus. Schauen wir uns nur mal das plüschige Riesenküken genauer an. Gleich im ersten Raum hockt es auf einer Rakete von neun Metern Länge wie auf einem Flug durch Raum und Zeit. Wobei Raum und Zeit Spuren hinterlassen haben! So wie das Küken lümmelt, ist es restlos erschöpft. . .

Ein Poet, der Hand anlegt

Das installative Sinnbild von Cosima von Bonin ist nicht das einzige in der Schau, das den Durchhaltezwang einer Gute-Laune-Gesellschaft zwischen Rastlosigkeit und Melancholie thematisiert. Gleich neben dem Geschoss hat Claus Richter seine "Rattenstraße" errichtet. Einen begehbaren, dabei nicht minder beklemmenden Kulissenbau. Eine düstere Stimmung wie im altem England zu Beginn der Industrialisierung haftet dem Ganzen an, mehr Armut als Anmut, so, als käme Oliver Twist gleich im Gossengrau um die Ecke.

Cosima von Bonin ist Jahrgang 1962, Claus Richter 1971 geboren. Beide leben in Köln, haben ihre Ateliers im selben Haus und sind seit 20 Jahren befreundet. Wenn es um das Hinterfragen von künstlichen Wirklichkeiten geht, darum, den Sehnsüchten der Generation Pop in die Unterhaltungskanäle zu schauen und schöpferisch Grenzen zwischen Hochkultur und Trash zu überwinden, haben sie viele Gemeinsamkeiten.

Es gibt jedoch auch Unterschiede in der Herangehensweise an ihre Kunst. Von Bonin etwa "komponiert" ihre Werke nur – um dann das Nähen ihrer Stoffbilder oder Plüschobjekte handwerklich anderen zu überlassen. Ihre Autorenschaft vernebelt sie bewusst: "Ich bin viele", lautet ihr Motto als Künstlerin. Ganz anders Richter, der einer für alle ist. Als konzeptueller Bildhauer tüftelt er viel, ist ein Selbermacher – ein Poet, der Hand anlegt.

Mit Querverweisen geizen die beiden Kölner Künstler nicht. Das fängt schon beim Ausstellungstitel an. In der Schau verwendet Richter wie auch von Bonin "Thing 1" und "Thing 2" als ihre Alter Egos. Die beiden "Things" sind ursprünglich zwei Figuren aus einem Kinderbuch von Dr. Seuss, "The Cat in the Hat". Das Buch handelt von zwei Kobolden, die in einer Kiste angeliefert werden. Und kaum, dass sie ausgepackt sind, beginnen sie, die Bude auf den Kopf zu stellen. Diese Lust am Diabolischen greift Richter in seiner Installation "Teufelshaus" aus, einer Art Turnhalle voller kleiner Satansbraten.

Dann ist da seine Raumarbeit "Haltestelle", wo der Alltag zur Groteske wird. Denn die Digitalanzeige mag den nächsten Zug zwar in 15 Minuten ankündigen. Was aber, wenn nie eine 14 oder 13 kommt? Lebenslanges Warten.

Oder was soll man von einem Roboter halten, flach am Boden liegend und untertänigst vermeldend, er mache gleich weiter? Während sein letztes Lämpchen leuchtet. Er ist so gespenstisch wie die Menschenroboterfigur, die mit rollenden Augen im Bett liegt, ohne Schlaf zu finden. Um sich zu beruhigen, sieht sie sich Filme an: Naturbilder sind zu sehen – im künstlichen Laptoplicht.

Zwei der bekanntesten "Hits" von Cosima von Bonin gibt es als Zugabe: Unübersehbar, trotz Camouflage, ragt ein mehr als zwei Meter hohes Pärchen Pilze mit Baumwollüberzug in einer hinteren Kammer auf. Friedlich. Von der Künstlerin mit den Namen "Hasbian" und "Wubian" versehen, scheinen sie zwei gut genießbare Gesellen zu sein – in dieser koboldhaften Schau.

Kunsthalle Nürnberg, Lorenzer Str. 32. Bis 17. Mai, Di. – So. 10 – 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr.

www.kunsthalle.nuernberg.de

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