Von Wim Wenders produziert

Doku-Film "A Black Jesus": Plädoyer gegen Ausgrenzung von Flüchtlingen

31.5.2021, 12:22 Uhr
Wir waren immer Migranten: Szene aus dem Film „A Black Jesus“, den der deutsche Regisseur Wim Wenders produziert hat.

© Foto: Filmwelt Wir waren immer Migranten: Szene aus dem Film „A Black Jesus“, den der deutsche Regisseur Wim Wenders produziert hat.

Vor vier Jahren reiste der in Berlin lebende Regisseur Luca Lucchesi nach Siculiana auf Sizilien, in das Heimatdorf seines verstorbenen Vaters, dessen größtes Heiligtum ein Kruzifix mit einem schwarzen Jesus ist. Als er die Kirche besuchte, in der das Kruzifix steht, demonstrierten draußen die Dorfbewohner gegen die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen; in der Kirche sah er einige der Unwillkommenen – junge schwarze Männer, die dort ehrfurchtsvoll vor dem schwarzen Jesus knieten und beteten.

Lucchesi hat diese Begegnung tief berührt. 2018 und 2019 kehrte er mehrmals nach Siculiana zurück und drehte einen Dokumentarfilm, der tief eintaucht in das Leben und die Widersprüche der Dorfgemeinschaft, der von Ausgrenzung und Solidarität erzählt, von den Sorgen eines Ortes, aus dem die jungen Leute wegziehen und in dem die jungen Flüchtlinge gerne bleiben würden, aber nicht dürfen.

Der Ghanaer Edward will unbedingt bei der Prozession dabei sein, bei der das Kreuz mit dem schwarzen Jesus durch den Ort getragen wird. Szene aus "A Black Jesus".

Der Ghanaer Edward will unbedingt bei der Prozession dabei sein, bei der das Kreuz mit dem schwarzen Jesus durch den Ort getragen wird. Szene aus "A Black Jesus". © Foto: Filmwelt

Protagonist von Lucchesis Film (den Wim Wenders produziert hat) ist der 19-jährige Ghanaer Edward, der sich wundert, dass die Leute im Ort einen schwarzen Jesus verehren, aber Angst haben vor Menschen wie ihm. "Sie lieben ein schwarzes Stück Holz, aber sie mögen keine Schwarzen aus Fleisch und Blut."


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Edward findet das komisch und will bei der nächsten Prozession zu den Männern gehören, die das tonnenschwere Kruzifix durch das Dorf tragen. Lucchesi zeigt mit viel Empathie und auch Humor, wie dieses kleine Wunder gelingt.

In dem sizilianischen Dorf Siculiana haben viele Einheimische Angst, von den Flüchtlingen aus Afrika überrannt zu werden. Szene aus dem Dokumentarfilm "A Black Jesus".

In dem sizilianischen Dorf Siculiana haben viele Einheimische Angst, von den Flüchtlingen aus Afrika überrannt zu werden. Szene aus dem Dokumentarfilm "A Black Jesus". © Foto: Filmwelt

Dabei ist sein Film nicht nur nah bei den Flüchtlingen, sondern auch den Dorfbewohnern. Sie erzählen von ihrer Angst, von den Fremden "überrannt" zu werden und von ihren eigenen Migrationserfahrungen. "Wir Sizilianer waren immer ein Volk von Migranten", sagt ein alter Mann beim Friseur. Ein anderer erzählt von seinen 45 Jahren als Gastarbeiter in Köln und kann "nichts Schlechtes" sagen über diese Zeit.


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Zu den eindringlichsten Szenen gehören die aus dem Sprachunterricht, wo der bewundernswert engagierte Lehrer nicht nur darauf bedacht ist, dass die Flüchtlinge die italienische Sprache möglichst fehlerfrei lernen, sondern der sie auch berät, was zu tun ist, wenn ihre Aufnahmeanträge abgelehnt werden – was so gut wie immer der Fall ist.

Der Lehrer hilft Edward dabei, wie er seinen Wunsch, das Kruzifix mitzutragen, gegenüber dem Pfarrer korrekt formuliert. Der Geistliche umarmt Edward zum Abschied, und nicht nur hier spürt man, wie das Gefühl des Zusammenhalts wächst. Auch im Schulunterricht, in den die Lehrerin einige Flüchtlinge eingeladen hat, ist die Scheu voreinander schnell verschwunden.

Zeichen der Hoffnung: Schließlich tragen in Siculiana Einheimische und Flüchtlinge das Kreuz mit dem schwarzen Jesus durch das Dorf. Szene aus "A Black Jesus".

Zeichen der Hoffnung: Schließlich tragen in Siculiana Einheimische und Flüchtlinge das Kreuz mit dem schwarzen Jesus durch das Dorf. Szene aus "A Black Jesus". © Foto: Filmwelt

Wenn dann Schwarze und Einheimische das Kruzifix gemeinsam durch das Dorf tragen, ist das ein Triumph der Freundschaft und Solidarität. Lucchesis Film macht mehr als deutlich, dass der Ursprung von Ablehnung und Vorurteilen nicht bei den Menschen liegt, sondern bei der Politik, die Ängste schürt und Flüchtlinge als Kriminelle degradiert.

Damals war noch der "Lega Nord"-Hardliner Matteo Salvini Innenminister, den man einmal aus dem Off hört, wie er ankündigt, kein Flüchtlingsschiff mehr in Italien anlegen zu lassen.

Noch hat das Land, hat die EU ihre südlichen Außengrenzen nicht dicht gemacht. Doch das Aufnahmelager in Siculiana wurde im Oktober 2019 geschlossen, die Flüchtlinge wurden nach Agrigent transportiert. Was das für seine "Schützlinge" bedeutet, ist dem Sprachlehrer bitter bewusst: "Meine Jungs werden auf der Straße landen, wo sie frisches Blut für die Mafia sind. Und das geschieht in voller Absicht", sagt er zornig und resigniert zugleich.

Sehnsuchtsort, Erholungsort für Urlauber - und Todesfalle für viele Flüchtlinge, die von Afrika nach Europa wollen: das Mittelmeer. Szene aus dem Dokumentarfilm "A Black Jesus".

Sehnsuchtsort, Erholungsort für Urlauber - und Todesfalle für viele Flüchtlinge, die von Afrika nach Europa wollen: das Mittelmeer. Szene aus dem Dokumentarfilm "A Black Jesus". © Foto: Filmwelt

"A Black Jesus" ist ein starkes Statement für eine humanere europäische Flüchtlingspolitik, der zugleich den Blick auf die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb Europas lenkt. Ein Film mit und ohne Happy End. Edward und seine Freunde Peter und Samuel, so erfährt man im Abspann, warten in Agrigent bis heute auf die Entscheidung über ihre Asylanträge.

Der von Wim Wenders produzierte Film läuft als digitaler Kinostart. Online-Tickets (12 Euro) auf www.filmwelt-digital.de. Der Verleih Filmwelt beteiligt die Kinos an 40 Prozent der Einnahmen.

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