Ein starkes Zeichen für die Zeichnung

13.7.2012, 00:00 Uhr
Ein starkes Zeichen für die Zeichnung

© Fengler

Zeichnungen sind im Vergleich zu Gemälden eher klein, unscheinbar und farblos? Vor wegen! Die Ausstellung im Neuen Museum beweist überzeugend das Gegenteil. Da erstrecken sich brutal-witzige Bilder zum Thema Mutterschaft über eine ganze Wand, ein blühender Garten wird nach allen Regeln der Konzeptkunst in „308 Blicke“ zerlegt und den kostümierten Mitgliedern eines kleinen polnischen Puppentheaters in liebevollen Groß-Porträts ein Denkmal gesetzt. Vielfalt ist Trump: Das ist das klare Zeichen, das diese Ausstellung setzt.

„Das Medium der Zeichnung steht zu Unrecht auch heute noch häufig im Schatten anderer Gattungen wie der Malerei, der Skulptur und des Videos“, sagt Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell und möchte das als Stiftehersteller und Kunstfreund ändern: Er hat den mit 15000 Euro dotierten Preis ausgelobt und knüpft damit an eine alte Tradition an: Von 1980 an hatte die Firma 13 Jahre lang das Nürnberger „Stadtzeichner-Stipendium“ gefördert. „Das war uns als internationales Unternehmen aber irgendwann zu national“, sagt der Graf.

Deshalb ist Internationalität bei dem neuen Engagement jetzt oberstes Gebot. Das erklärt wohl auch, warum die Liste der Nominatoren und Juroren deutlich länger ist als die der Künstler und sich liest wie ein Who is Who der Museumsgrößen: Okwui Enwezor ist dabei, der einstige Documenta-Leiter, Adam Budak vom Hirshhorn-Museum in Washington, Chris Dercon, Direktor der Tate Modern in London, und Sabine Breitwieser, Chefkuratorin am Museum of Modern Art in New York.

Reine Frauenriege

Fünf der Experten durften jeweils einen Künstler im Alter von maximal Mitte 40 verschlagen. Interessanterweise kam eine reine Frauenriege zustande. Die Zeichnung ist weiblich? „Nein, das ist reiner Zufall“, betont Mit-Jurorin Melitta Kliege vom Neuen Museum. Die anderen fünf Kunsthistoriker bestimmten dann in der Ausstellung die ihrer Ansicht nach beste Künstlerin. Die in der Jury einstimmige, beim Publikum aber sicher nicht unumstrittene Wahl fiel auf Trisha Donnelly.

Noch zurückhaltender, flüchtiger und weniger greifbar als die scheue New Yorkerin kann man mit dem Medium Zeichnung kaum umgehen. Eine radikale Position, über die es im sehr allgemein gehaltenen Begleitheft heißt: „Der Entzug, die Abwesenheit, die Unsichtbarkeit und letztlich die Leerstelle sind Merkmale ihres bisherigen Werkes.“

Mehr zu sehen gibt es da schon bei und von den anderen Zeichnerinnen. Sabine Moritz aus Köln zum Beispiel hat offensichtlich eine ausgeprägte Vorliebe für Helikopter und Schiffe, die sie auf unsicheres Gelände zwischen Krieg und Tourismus, Bedrohung und Beschaulichkeit schickt. Woher die Wahl der Motive rührt? „Es kommt nie was aus dem Nichts“, sagt sie und pflegt damit die verbale Zurückhaltung, die in der Familie liegt: Die 42-Jährige ist mit Maler-Star Gerhard Richter verheiratet.

Am traditionellsten kommt die Zeichnung in dieser Schau bei Paulina Olowska, einer jungen Polin, daher. Mit dem Bleistift zeigt sie eindringliche Porträts von Menschen, die in einem Puppentheater in ihrer Heimat arbeiten — Kleinkunst ganz groß.

Sehr viel konzeptueller ist dagegen der Ansatz von Jorinde Voigt aus Berlin. Mit ausgeschnitten Zeichnungen, farbigem Papier, feingezeichneten Linienverläufen, Zahlen und Beschriftungen pflanzt sie einen Gingko oder Olivenbaum in die abstrakte Kunstwelt oder zeichnet dort einen Adlerflug nach.

Handfester geht es bei der Bulgarin Sevda Chkoutova zur Sache, die das brutale (Frauen-)Leben aber auch mit einer gehörigen Portion Ironie betrachtet. Die 34-Jährige verarbeitet in den Zeichnungen ihre eigene Biografie als Frau im Familienkorsett und Osteuropäerin im Westen. Hier ist die Zeichnung tatsächlich ganz weiblich.

Neues Museum Nürnberg, Klarissenplatz: „Internationaler Faber-Castell-Preis für Zeichnung“, bis 21. Oktober, Di.—So. 10—18, Do. 10—20 Uhr. Führungen jeweils Sa. 15, So. 11 Uhr. Katalog 20 Euro. Info-Tel.: 0911/2402069.
 

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