"Er ist wieder da": Hitler-Satire am Landestheater Dinkelsbühl

8.1.2020, 21:16 Uhr
Probenszene aus der Dinkelsbühler Inszenierung von "Er ist wieder da". Andreas Peteratzinger spielt die Rolle des Adolf Hitler.

© Foto: Hans von Draminski Probenszene aus der Dinkelsbühler Inszenierung von "Er ist wieder da". Andreas Peteratzinger spielt die Rolle des Adolf Hitler.

Wer an Dinkelsbühl und Theater denkt, dem fällt zunächst sicher die Kinderzeche ein, jenes historische Festspiel, das jedes Jahr mit über tausend aktiven Bürgern aufgeführt wird, um an ein historisches Ereignis zu erinnern. Die Geschichte besagt, dass ein Mädchen mit einer Gruppe von Kindern vermochte, was alle Ratsherren nicht schafften: Während des Dreißigjährigen Krieges die schwedischen Eroberer davon abzubringen, die Stadt zu zerstören und auszuplündern. Dieses Spektakel auf den Plätzen und in den Gassen zieht im Sommer zuverlässig Touristen an – fast ein Oberammergau.

Es geht dort aber auch ein bisschen kleiner. In der knapp 12.000 Einwohner zählenden, ehemaligen Reichsstadt in Westmittelfranken gibt es nämlich seit 60 Jahren eine Bühne, die das ganze Jahr über für die kulturelle Versorgung der Einheimischen sorgt.

Mittlerweile zum Landestheater erhoben, bietet sie in den Wintermonaten im historischen Spitalhof (180 Zuschauer) und in den Sommermonaten auf der Freilichtbühne am Wehrgang (300 Zuschauer) ein abwechslungsreiches und ansprechendes Programm mit klassischen und modernen Stücken, Musicals und Kindertheater. Unter der Leitung von Peter Cahn spielen vier feste Schauspieler im Ensemble, das immer wieder mit Gästen aufgestockt wird.

Traumhafte Auslastung

Als Landestheater gehört es auch zu den Aufgaben der Bühne, kleinere Orte im näheren und weiteren Umkreis mit dramatischer Kost zu versorgen: Die Dinkelsbühler sind übers Jahr in 50 Gastspielhäusern der gesamten Republik präsent (von Rothenburg bis Salzgitter) und spielen so pro Saison in der Regel über 200 Vorstellungen.

Allein in der Heimatstadt zieht das Theater jährlich über 50.000 Zuschauer an; mit 98 Prozent eine Auslastung der beiden Spielstätten, von der manches große Theater nur träumen kann. Peter Cahn ist hier seit 2001 Intendant. Was seine Arbeit auf dem flachen Land abseits der Theater-Metropolen so erfolgreich macht, drückt er am besten selber aus: "Ich möchte Menschen auf der Bühne darstellen, keine Stereotypen. Mir ist es wichtig, dass die Zuschauer sich in den Charakteren auf der Bühne wieder finden, mit ihnen lachen und leiden können, denn das ist meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung, wenn man die Leute emotional bewegen möchte."

Hitler-Satire und "Bella Figura"

Wenn jetzt am 8. Januar in die Winterspielzeit des neuen Jahres gestartet wird, stehen gleich zwei ebenso hintergründige wie unterhaltsame Werke auf dem Programm: Die Dramatisierung des Bestsellers "Er ist wieder da" von Timur Vermes, eine Satire über die Wiederkehr des "Führers", der im medienregierten 21. Jahrhundert für Verwirrung und Chaos sorgt. Ob der gute Geschmack da noch greift oder ob er nicht schon längst abgeschafft ist? Vermes spielt das Unsagbare souverän, beißend komisch und mit viel Kritik an den eingefahrenen Strukturen unserer Gesellschaft durch.

Das Theater will mit der Produktion durchaus auf die bedenklichen politischen Entwicklungen, auf die Anfälligkeit für rechtes Gedankengut im Land hinweisen: das Lachen kann und soll auch schmerzen – und aufwecken.

Brüchige bürgerliche Fassaden reißt die französische Erfolgsautorin Yasmina Reza ("Kunst") mit ihrem Stück "Bella Figura" ganz ein. Sie seziert das Umfeld eines Unternehmens- und Ehebankrotteurs böse und gnadenlos, bis vom schönen familiären Schein nur noch ein schwach blinkendes Licht zurückbleibt. Premiere ist am 12. Februar.

Weiterhin im Dinkelsbühler Winterprogramm sind das Stück (nach dem Film) "Rain Man", das Musical "Piaf – Süchtig nach Liebe" und für Kinder "Ein Schaf fürs Leben".

In der Freilichtsaison (ab 16. Mai) wird es mit einer 80er-Jahre-Revue wieder eine Uraufführung geben ("Die Mauer muss weg" von Kerstin Krefft), die Komödien "Monsieur Claude und seine Töchter" und den Schwank "Pension Schöller", für Kinder den "Kleinen Vampir"; daneben auch Gastspiele mit den Kabarettisten Urban Priol, Günter Grünwald oder Django Asül.

Vorstellungen im Theaterhaus im Spitalhof, Dinkelsbühl: "Er ist wieder da" (8. bis 12. und 24. bis 26. Januar); "Bella Figura" (5. bis 16. Februar und 28. Februar bis 1. März.) Kartentel.: 0 98 51/58 25 27 27.

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