Erlangen trotzt Corona mit dem neuen Pop Up Festival

14.8.2020, 11:31 Uhr
Der ehemalige Campingplatz direkt am Fluss ist ein ideales Gelände für das neue Erlanger Pop Up Festival, das unter freiem Himmel stattfindet.

© Foto: Hans von Draminski Der ehemalige Campingplatz direkt am Fluss ist ein ideales Gelände für das neue Erlanger Pop Up Festival, das unter freiem Himmel stattfindet.

Für viele von uns fühlt sich das Leben momentan so an, als würde man ohne Termin in einem Wartezimmer sitzen. Keine Ahnung, wann es weitergeht, keine Ahnung, wie der Befund sein wird. Keine gute Zeit, um Pläne zu machen, keine gute Zeit zum Träumen. Da kommt eine wie Sarah Lesch gerade recht. Wie sie da so leichtfüßig auf der Bühne steht, diese dünne Frau mit dem verfilzten Blondschopf, dem Oberarm-Tattoo und der zerrissenen kurzen Jeans, verspürt der romantisch veranlagte Mann sofort das dringende Bedürfnis, mit ihr aus dem Wartezimmer zu türmen und ein Pferd zu stehlen.

Okay, der laue Sommerabend und die lauschige Atmosphäre beim Auftakt des Pop Up Festivals auf dem neuen Erlanger Spielort Wöhrmühle begünstigen natürlich solche Spinnereien. Direkt an der Regnitz gelegen, eingerahmt von hohen Laubbäumen, empfiehlt sich der ehemalige Campingplatz als ideales Open-Air-Gelände. Das E-Werk hat in Kooperation mit dem städtischen Kulturamt für einen reibungslosen, den derzeit nötigen Hygiene- und Abstandsregeln entsprechenden Ablauf gesorgt, es gibt einen Getränkewagen, einen veganen Foodtruck und sogar einen eigenen Fahrradparkplatz.

Leichtigkeit und Lebenshunger

Die zweihundert voll besetzten Sitzplätze sind paar- und grüppchenweise auf Abstand gestellt. Klar, im wilden Pulk vor der Bühne barfuß Tanzen ist dieses Jahr nicht drin, aber immerhin nimmt uns Frau Lesch mit auf imaginäre Reisen - selbstverständlich keine All-Inklusive-Luxus-Kreuzfahrt, eher einfach auf einer Luftmatratze den Fluss hinunter bis zum Meer.

Die aus Thüringen stammende Liedermacherin, Ukulele-Spielerin und Gitarristin, Jahrgang 1986, hat ein großes schwärmerisches Herz, einen ironisch-sarkastischen Blick auf die oft fahle Alltagsrealität und keine Angst vor romantischen Klischees. Begleitet von ihrem musikalischen Langzeit-Partner Eric Manu an Gitarre und Schlagwerk, versprühen ihre Songs eine heitere Leichtigkeit und einen Lebenshunger, dem selbst der böse Ernst des Lebens nicht den Appetit verderben kann.

Bei ihren Ansagen wirkt sie bisweilen aufgekratzt wie Pipi Langstrumpf und ihre exaltierte Lockerheit kann auch schnell mal ein wenig anstrengend sein, während sie bei ihrer Suche nach dem guten, freien, intensiven, wilden Leben gerne in der Stereotypen-Kiste der Hippies wühlt: Rotwein und Gitarre am Lagerfeuer, Fummeln im Schlafsack unterm Sternenhimmel und überhaupt, "wir brauchen nichts, allerhöchstens ein bisschen Leichtsinn und Mut, der Rest wird von alleine gut". Wenn es immer so einfach wäre. Aber wie tot muss man sein, um solchen herrlichen jugendlichen Flausen nicht mehr auf den Leim gehen zu wollen?

Weitere Termine auf der Kulturinsel in Erlangen

Doch Sarah Lesch geht auch durchaus dorthin, wo es wehtut, sieht auf der Familienfeier als einzige einen rosa Elefanten mit üblen Manieren sein Unwesen treiben, während ihn alle anderen ignorieren, oder porträtiert in ungeschönten, gestochen scharfen Bildern ihre Heimat, "dort wo sie mittags an Tankstellen sitzen und Spuckepfützen machen".

Zum Schluss gibt sie uns ein wehmütiges, an Tom Waits angelehntes Abschiedslied mit auf den Weg: "Die Taschen sind voller Kleingeld und die Straßen sind voll Mond (…) Geh nach Haus, es wird Zeit, dass du liebst". Alles klar, das Pferd stehlen wir dann beim nächsten Mal.

Die nächsten Termine auf der Kulturinsel Wöhrmühle: 14.8.: Musik von hier mit Alex & The Lights, Point & Die Spielverderber, Nikki mit dem Beat, 16.8.: Kinderkulturtag mit Geraldino & Den Bubble Boys, 18.8.: TBC, 19.8.: Rikas, 20.8.: Martin Kohlstedt, 21.8.: Straws Blues Project, 22.8.: Patrick Salmen, 24.8.: Voodoo Jürgens, 25.8.: Black Sea Dahu, 26.8.: Maybebop

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