Filmexperiment: Umstrittener Berlinale-Sieger "Touch Me Not"

1.11.2018, 11:44 Uhr
"Touch Me Not" ist ein Film, der ohne provokante Attitüde viele verschiedene und sehr kontroverse Reaktionen hervorruft.

© Alamode "Touch Me Not" ist ein Film, der ohne provokante Attitüde viele verschiedene und sehr kontroverse Reaktionen hervorruft.

Pintilies halbdokumentarisches Filmexperiment beginnt mit einer Kamerafahrt, die in extremer Nahaufnahme von der Wade beginnend an einem behaarten Männerbein entlang gleitet und sich gemächlich über den entspannten Penis bis zum Oberkörper hin vorarbeitet. Damit ist nach 15 Filmsekunden das Thema bestimmt und klar, dass der Film nie im Leben einen US-Verleih finden wird.

"Touch Me Not" begreift sich als filmischen Laborversuch, der sich mit dem Wesen der Intimität befasst. Im Zentrum steht eine Frau (Laura Benson) um die fünfzig, für die jede körperliche Berührung eine Qual darstellt. Aber sie hat entschieden, sich ihrer Angst mit therapeutischen Selbstexperimenten zu stellen: Sie schaut einem Callboy beim Duschen und Onanieren zu, engagiert eine transsexuelle Prostituierte, die sich als einfühlsame Gesprächspartnerin erweist, sowie einen BDSM-Spezialisten, der mit ihr an der Überwindung ihrer Berührungsängste arbeitet.

Weiterhin führt der Film in ein Therapieseminar, in dem behinderte und nichtbehinderte Menschen gegenseitige körperliche Barrieren erkunden, sowie in einen Swinger-Club, wo die sexuelle Entgrenzung zum orgiastischen Programm gehört. Von vielen Kritikern vorschnell als pornographisch denunziert oder als "Sexfilm" gehypt, führt Pentilis Erzählprinzip sensibler und radikaler Nähe das Publikum – wie die Protagonistin – an seine Grenzen.

"Touch Me Not" ist ein Film, der ohne provokante Attitüde viele verschiedene und sehr kontroverse Reaktionen hervorruft. Einige Zuschauer bei der Berlinale verließen das Kino, aber auch wenn man sich tapfer durch das zweistündige Experiment durcharbeitet, geht das Konzept unbedingter Distanzlosigkeit nicht wirklich auf. Man hat viel Intimität auf der Leinwand gesehen, ist ihr und den Figuren jedoch nicht wirklich näher gekommen. (Ro/D/125 Min.)

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