Zwischen Armut und Rassismus

Filmfestival der Menschenrechte in Nürnberg: Aufrüttelnde Worte zum Auftakt

1.10.2021, 11:41 Uhr
Gemeinsam mit Festivalleiterin Andrea Kuhn machte OB Marcus König beim Fototermin gut gelaunt Werbung für das Festival der Menschenrechte.

© Anestis Aslanidis Gemeinsam mit Festivalleiterin Andrea Kuhn machte OB Marcus König beim Fototermin gut gelaunt Werbung für das Festival der Menschenrechte.

Festivalmacher müssen in Pandemie-Zeiten kreativ und flexibel sein: Rekordverdächtig kurz fiel die Eröffnung des 12. Internationalen Nürnberger Filmfestivals der Menschenrechte in der Tafelhalle aus, die unter den geltenden Corona-Einschränkungen sehr gut gefüllt war.
Und auch wenn sich Festivalleiterin Andrea Kuhn und ihr Team die knappe halbe Stunde für Reden und Trailer selbst verordnet hatten, bevor zum Auftakt der indische Film "Pebbles" gezeigt wurde – an aufrüttelnden Worten fehlte es nicht.

So sollte man den Aufruf von Oberbürgermeister Marcus König sehr ernst nehmen: "Lassen Sie uns kämpfen für die Menschenrechte in unserer Stadt", mahnte der OB. Denn auch vor Ort, in Nürnberg, ist das gerade heute wieder notwendig.

"Die Pandemie hat unsere Arbeit verändert", betonte Kuhn, "aber wir haben Glück gehabt, wir konnten uns 18 Monate vorbereiten." Neben den analogen Filmvorführungen sind zwei Drittel der insgesamt 41 Filme aus 31 Ländern diesmal auch online zu sehen, die Filmgespräche werden live aus der eigens dafür eingerichteten Lounge im Künstlerhaus gestreamt – durchaus ein Mehrwert, der das Festival bundesweit sichtbar macht.

Solidarität und Widerstand

Noch wichtiger aber: "Wir können unser Festival in einer Demokratie veranstalten." Durch die Pandemie, so Kuhn, habe sich die Menschenrechtslage in vielen Ländern verschärft. Kürzlich erst habe etwa der philippinische Präsident Rodrigo Duterte den Menschenrechtsaktivisten in seinem Land den Krieg erklärt. Weltweit weiche die Hoffnung auf eine neue Solidarität zu Beginn der Pandemie zunehmenden Egoismen, gesellschaftlichen Spaltungen und nationalen Interessen.

Dass "Solidarität und Widerstand", so das Motto des diesjährigen Festivals, mehr denn je gefordert sind, zeigt laut Kuhn auch die Bedrohung ehemaliger Ehrengäste in ihrer Heimat. Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof, erst inhaftiert, dann immer wieder mit Ausreise- und Arbeitsverbot belegt, ist nur der prominenteste Fall von vielen.

Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Afghanistan erinnerte Kuhn daran, dass die Welt lange vorher hätte wissen können, was passieren würde, wenn die westlichen Streitkräfte abziehen. Die Regisseurin Sahra Mani, die 2019 den Publikumspreis gewann, habe schon damals vor der Machtübernahme der Taliban gewarnt. Wenn es heute heiße, die "Flüchtlingswelle von 2015" solle sich bloß nicht wiederholen, sei das an Zynismus kaum zu überbieten.

Kultur ist nicht systemrelevant

Mit deutlichem Sarkasmus kommentierte Kuhn auch den Umgang mit der Kultur in Deutschland, während der Pandemie: "Wir haben 2020 gelernt, dass Kultur nicht systemrelevant ist." Wer Festivals wie dieses und all die anderen Kulturangebote auf die Möglichkeit des Online-Formats verweise, irre gewaltig . "Online ist keine Alternative, und das ist auch nicht billiger", so Kuhn mit großem Nachdruck.

Das wir uns in Deutschland dennoch in einer sehr privilegierten Position befinden, dürfte neben dem breiten Filmangebot, das sich Themen wie Armut, Kolonialismus und Rassismus widmet, die Podiumsdiskussion am 6. Oktober zeigen. Dabei geht es um globale Impfgerechtigkeit bzw. -ungerechtigkeit.

Vom Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen erzählt der im Anschluss gezeigte Eröffnungsfilm "Pebbles" von P.S. Vinothraj. Er führt uns an der Seite eines kleinen Jungen und seines gewalttätigen Vaters durch eine vom Klimawandel ausgedörrte Landschaft. Die maßlose Wut des herrschsüchtigen Mannes ist in dem Film, der mit wenigen Worten auskommt, aber eindringliche, oft surreale Bilder bietet, nicht nur Ausdruck eines brutalen Patriarchats. Sie wirkt auch wie die hilflose Reaktion auf die Ungerechtigkeiten auf unserem Planeten.

Mehr Informationen unter www.nihrff.de.

Verwandte Themen


Keine Kommentare