Frische Sicht auf Borchert

19.10.2011, 21:08 Uhr
Mit dem Borchert-Projekt "Draußen vor der Tür...und der Krieg geht weiter" eröffnete das 6. Nürnberger Jugendtheater-Festival "Lichtblicke".

© Gostner Mit dem Borchert-Projekt "Draußen vor der Tür...und der Krieg geht weiter" eröffnete das 6. Nürnberger Jugendtheater-Festival "Lichtblicke".

Es muss die erste Rede gewesen sein, die der Mann vom Bezirkstag aus Ansbach in seinem Leben gehalten hat. Anders lässt sich das als Grußwort getarnte, inhaltsleere Gestammel nicht erklären, das über die bedauernswerten Schüler und Ehrengäste schwappte, die sich zu früher Stunde in dem schicken Jugendstil-Saal eingefunden hatten. Doch auch sonst war die Eröffnung des „6.Lichtblicke“-Festivals erschütternd glanzlos und unprofessionell: Die Technik machte nicht mit (Festivalschwerpunkt: Medien!), die Moderatoren fielen sich gegenseitig ins Wort und in den Rücken – zum Fremdschämen.

Geschenkt, zählt unterm Strich doch immer noch der Inhalt. Und der stimmt beim Festival vom Start weg: „Draußen vor der Tür... und der Krieg geht weiter“ setzte als Eröffnungsstück gleich ein erstes Glanzlicht unter den neun teilnehmenden Produktionen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Baris Karademir und Choreograf Ingo Schweiger nehmen mit viel Respekt den Wolfgang Borchert-Klassiker „Draußen vor der Tür“ auseinander, inszenieren ihn mit Samples, Blitzlichtern und Störgeräuschen ganz schön dämonisch neu – und bleiben dennoch überraschend dicht an der Vorlage.

Spiel- und Tanzszenen verschwimmen in diesem surreal schwelenden Alptraum, den der Kriegsheimkehrer Beckmann („ich werde jetzt ganz sachte verrückt“) durchlebt und durchleidet. Allein schon der markanten Sprache wegen bleibt das von Borchert ursprünglich als Hörspiel konzipierte Stück auch hier im Nachkriegsdeutschland verhaftet, ohne jedoch Staub angesetzt zu haben.

Das beeindruckend vielschichtige und intensiv aufspielende Ensemble – vorneweg Ulrike Fischer, Alexander Altomirianos und Nikolaus Struck – hievt das heute leider fast nur mehr als Schullektüre wahrgenommene Drama mit einer beeindruckenden Leichtigkeit auf die Bühne und trotzt ihm mühelos eine frische, aktuelle Sichtweise ab. Chapeau!

Nochmal am 18. + 19.04.12, 10:30 Uhr und am 20. + 21.04.12, 20 Uhr, im Nürnberger  Hubertussaal,

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