Gefällige Schönheiten auf Ansbacher Skulpturenmeile

19.7.2019, 17:06 Uhr
Gefällige Schönheiten auf Ansbacher Skulpturenmeile

© Jim Albright

Am Schlosstor in Ansbach sitzt Gaia, die Mutter der Erde. In ihrem Schoß sind die Kulturen der Welt zuhause: archaische Frauengestalten, Gesichter im Stil der Büsten der alten Griechen und früher asiatischer Kulturen, eine ägyptische Gottheit mit Kuhhörnern, eine Madonna mit Kind.

22 Bronzeplastiken der Bildhauerin Antje Tesche-Mentzen aus München sind derzeit in Ansbach zu sehen. Im Rahmen der Skulpturenmeile, der zwölften großen Freilichtausstellung in der Rezatstadt, bevölkern sie den Hofgarten. Ein paar haben sich auch in die Altstadt verirrt, wo sie unscheinbar bleiben. Die „Königin der Nacht“ steht einsam in einer Nische an der Johanniskirche: eine zarte Gestalt im blauen Gewand, der Mond über dem goldenen Gesicht.

Ein schönes, sanftes Gesicht ohne Ausdruck ist es und charakteristisch für die Frauenfiguren Antje Tesche-Mentzens. Mutter Gaia hat solch ein glattes Gesicht mit vollen Lippen, auch die personifizierte Hoffnung am Eingang zum Hofgarten und Daphne, um deren maskenhafte Züge Lorbeerblätter sprießen.

Bilderfülle 

Die Plastiken formen sich aus einem üppigen Bilderkosmos, aus Symbolen und Ornamenten, aus Sternen und Mondsicheln, Spiralen, Kreisen, Augen, Blättern und Ästen. Die Körper wachsen aus Wurzeln, und die Köpfe öffnen sich in den Himmel. Hier ein Kind, untrennbar mit der Mutter verbunden, dort Pegasus, da der Gekreuzigte. Manche Geschöpfe sind bemalt mit Wellenmustern, beschrieben mit Bibel-Texten, mit Versen von Rilke oder Musiknoten.

Gefällige Schönheiten auf Ansbacher Skulpturenmeile

© Jim Albright

Einerseits steckt in diesen Skulpturen viel angesichts der Bilderfülle. Die Zeichen machen Lust, die uralten Mythen wiederzuentdecken: Apoll hat seine Handabdrücke auf Daphnes Leib, der schon Stamm ist, hinterlassen. Die Melange aus Gegenständlichem und Ornamentalem, aus Surrealismus, Symbolismus und Elementen des Jugendstils ist hübsch anzusehen. Und die Bronze verleiht Würde. Andererseits steckt in den Figuren wenig. Denn sie bewegen nicht, sie irritieren nicht, sie regen nicht an oder auf. „Schön sind die“, sagen Passanten. Und dass sie sich so eine Frau in den Garten stellen würden, wenn sie das Geld dafür hätten. Kunst als Schmuck für den heimischen Garten also. Das ist zu wenig für die renommierte Ansbacher Skulpturenmeile. Zu wenig, um eine ganze Stadt in einen Ort kraftvoller zeitgenössischer Kunst und der Diskussion über künstlerisch-ästhetische Prinzipien zu verwandeln.

Unmut in der Arbeitsgruppe

Nicht alle Experten in der für die Kunstmeile 2019 zuständigen Arbeitsgruppe sind mit der Entscheidung für die Bildhauerin einverstanden, wie die Fränkische Landeszeitung berichtet. Kerstin Himmler und Helmut Sacha erfuhren aus der Presse von dem Votum für die Münchner Künstlerin und haben sich deutlich davon distanziert. Die Plastiken Antje Tesche-Mentzens seien „ästhetisch sehr ansprechend“, würden aber „weder künstlerisch noch handwerklich dem bei der Skulpturenmeile etablierten Anspruch“ gerecht, betonten sie. Der Appell Himmlers, zumindest an der konkreten Auswahl der Skulpturen Sachverständige zu beteiligen, wurde von der Stadt nicht berücksichtigt.

Auch die Skulpturen von Jürgen Goertz, der 2003 die erste Kunstmeile bestückte, sind voller Anspielungen und Bezüge. Doch seine Arbeiten hatten einen Aufruhr verursacht. Die gigantische „Amme“ etwa ließ etliche Bürger wüten. Sie waren beunruhigt, verunsichert. Diesmal ist nichts beunruhigend. Alles ist angenehm und auch vertraut von Kunstrichtungen der Vergangenheit. Arbeiten ohne Dynamik, die leicht gefallen können. Teils wird die Grenze zum Kitsch überschritten. Bei der anmutigen Arabella etwa. Lilith, die uralte Göttin, der Dämon, das Mischwesen aus dem „Faust“, ist hier ein Model.

Antje Tesche-Mentzen steht es frei, ihre eleganten Geschöpfe zu formen. Dem Betrachter steht es frei, dieGöttinnen, Nymphen und Weltenmütter wunderbar zu finden. Doch bei einer Ausstellung solcher Dimension im öffentlichen Raum ist dekorative Schönheit nicht genug.

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