Gipfeltreffen französisch-russischer Malerei

14.9.2007, 00:00 Uhr
Gipfeltreffen französisch-russischer Malerei

© Museum

«Die schönsten Franzosen kommen aus New York.« So jedenfalls behauptet es der Titel einer Ausstellung, die derzeit in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen ist. Während die Berliner bereits seit Juni mit großem Erfolg französische Malerei aus dem New Yorker Metropolitan Museum zeigen, schickt sich jetzt auch das Düsseldorfer Museum Kunst Palast an, mit malenden Franzosen beim Publikum zu punkten.

Doch auch die russische Kunst kommt am Rhein nicht zu kurz. «Bonjour Russland. Französische und russische Meisterwerke von 1870 bis 1925 aus Moskau und St. Petersburg« lautet der etwas lang geratene Titel einer Schau, die die Verflechtungen und Einflüsse zwischen der Kunst beider Länder anhand von 126 Meisterwerken aus Museen wie der St. Petersburger Eremitage oder der Moskauer Tretjakow-Galerie illustriert.

Gut betuchte Privatsammler

Das Erstaunliche daran: Der New Yorker High Society des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts traute man ohne weiteres zu, ihre Salons mit den Spitzenwerken der europäischen Avantgarde zu dekorieren. Aber Russland zwischen 1870 und 1925 - war das nicht eine hinterwäldlerische, unter wechselnden Despoten dahinsiechende Gesellschaft von Unterdrückern und Unterdrückten? Ein von Westeuropa nicht nur geografisch unendlich weit entferntes Land voller unbefestigter Straßen und Holzhütten? Im Prinzip ja, aber es gab auch in Russland eine kleine Gruppe von Privatsammlern, die mit erstaunlichem Gespür und gefülltem Geldbeutel in den Pariser Ateliers und Galerien auf Schatzsuche gingen. Die Bilder von Matisse, Gauguin, Braque, Rousseau, Cézanne oder Monet, die sie zusammengetragen haben, brauchen keinen Vergleich mit dem zu scheuen, was in den großen Museen Westeuropas und Nordamerikas zu sehen ist.

Enthusiastische Ausnahmesammler wie die beiden Textilmagnaten Iwan Morosow und Sergei Schtschukin kauften im großen Stil in Frankreich ein und stellten die mitgebrachten Werke in ihren Villen aus. Schtschukins Villa glich einem einzigartigen Privatmuseum der französischen Avantgarde, durch das der Hausherr bei freiem Eintritt die Besucher persönlich führte. Das größte Werk der Ausstellung, Henri Matisses lebensfrohes Wandbild «Der Tanz« von 1910, hing in seinem Treppenhaus. Die Düsseldorfer Schau zeigt, dass es diese geradezu fanatisch kunstbegeisterten, interkulturellen Brückenfiguren waren, die den künstlerischen Austausch überhaupt erst ermöglichten. Die russische Kultur war nämlich, nachdem Katharina die Große im 18. Jahrhundert den Austausch mit dem Ausland intensiv gepflegt hatte, im 19. Jahrhundert längst wieder ins volkstümelnde Fahrwasser des «Russischseins« geraten. Neue Impulse waren gefragt.

Wie diese erst zögerlich und dann mit immer größerer Begeisterung Aufnahme in die russische Kunst fanden, zeigt die Ausstellung an eindrucksvollen Beispielen. Vom Realismus eines Ilja Repin - zu sehen ist das Porträt Leo Tolstois im landestypischen «Russenkittel« - windet sich die Schau bis hin zu den Futuristen, Suprematisten und Konstruktivisten des frühen 20. Jahrhunderts. Marc Chagalls berühmtes Bild «Der Spaziergang« (1917-18) ist ebenso vertreten wie Vladimir Tatlins rhythmisiertes Porträt «Fischverkäufer« (1911) und natürlich Kasimir Malewitschs «Schwarzes Quadrat« (1923).

Moskau als Zentrum

Am Ende hatten die russischen Künstler ihre französischen Lehrmeister überholt, und Moskau hatte für kurze Zeit Paris als Welthauptstadt der Kunst abgelöst. Nach der Oktoberrevolution verstaatlichten die Bolschewiki die Schätze der privaten Sammlungen. Doch während die junge Sowjetrepublik sich noch mit der Avantgarde brüstete, geriet diese 1948 unter Stalin unter Formalismus-Verdacht und wurde bis zur Perestroika weggesperrt. Die  internationale Wiederentdeckung dieser verschwundenen Meisterwerke war überfällig. Mit der Ausstellung am Rhein, die erst anschließend in der Royal Academy in London zu sehen sein wird, ist der erste Schritt gemacht.

NICOLE BÜSING/HEIKO KLAAS

Museum Kunst Palast, Ehrenhof, Düsseldorf: «Bonjour Russland«. Bis 6. Januar, tägl.10-20 Uhr. Katalog 29 Euro. Tel: 0211/ 8992460; www.bonjour-russland.de