Hirsvogelsaal: Die Rückkehr der Kaiser

14.5.2009, 00:00 Uhr
Hirsvogelsaal: Die Rückkehr der Kaiser

© Daut

Vermisst haben bislang wohl nur wirkliche Kenner die Riege der Imperatoren hoch droben unter der Decke des Nürnberger Prachtbaus. Als der Patrizier Lienhard Hirsvogel den nach ihm benannten Raum 1534 als Tanzsaal für seine Holde erbauen ließ, dachte er jedenfalls selbst noch nicht an dessen Aufwertung durch Büsten der ersten zwölf römischen Kaiser.

Für dieses zusätzliche Dekorelement entschied sich erst die Familie Rieter, die 70 Jahre später in den Besitz des Renaissance-Kleinods kam. «Sie wollten mit imperialem Glanz in den Saal locken», sagt Klaus Dornisch. Der klassische Archäologe ist einer der «Väter» der neuen Caesaren. Denn die alten, um 1600 aufgestellten, gingen in den Nachkriegswirren verloren.

Nach dem Krieg verschwunden

Die zwölf jeweils rund 70 Zentimeter hohen Büsten waren zwar 1943 zusammen mit der gesamten wertvollen Innenausstattung ausgelagert worden, nach dem Krieg aber nicht mehr auffindbar. Der in der Bombennacht des 2. Januar 1945 zerstörte Hirsvogelsaal konnte vor neun Jahren im Garten des Tucherschlosses wieder aufgebaut werden. Aber hoch droben unter dem imposanten Deckengemälde von Georg Pencz klafften fortan auf den Sockelvorsprüngen Lücken: Die Kaiser fehlten - und lange auch guter Rat, wie sie zurückkehren sollten.

Von den Originalen existierten nur wenige, schlechte Fotos. Für Reproduktionen fehlte also die Grundlage. Und in der Antikensammlung der Uni Erlangen bot sich auch nichts Passendes zum Abguss. Schließlich sollten die Herren ein einheitliches Erscheinungsbild ergeben - und kein wildes Durcheinander an Stilen und Maßstäben. Martin Boss, Leiter der Antikensammlung der Uni Erlangen, ist darüber nicht traurig: «Man muss sich auch mal trauen, eine moderne Figur zu machen», fordert er vehement.

"Probekaiser" kam gut an

Wenn das ein klassischer Archäologe sagt, klingt das erstaunlich. Noch erstaunlicher ist, dass der Denkmalschutz seinen Segen zu dem Vorhaben gab, zwei junge Nürnberger Bildhauer mit der Wiedergeburt der Imperatoren zu betrauen. Mit einem «Probekaiser» sollte Überzeugungsarbeit geleistet werden. Vespasian musste dafür herhalten. Eine gute Wahl: altväterlich, mit einer Mundhaltung, die man fast Lächeln nennen könnte, blickt er den Betrachter an. Damit erweichte er auch den zuständigen Denkmalschutzbeamten. Er gab vor rund drei Jahren die Erlaubnis zur Neuschöpfung der Hirsvogelsaal-Kaiser, der Nürnberger Lions Club spendierte dafür die nötigen 20 000 Euro.

Mit Anke Oltscher (Jahrgang 1972) und Olaf Bieber (Jahrgang 1965) wurden zwei Bildhauer aus Nürnberg engagiert, die sich fortan den geschichtsträchtigen Personen widmeten. Oltscher hat dabei ihre Zuneigung zu Julius Caesar entdeckt: «Erst hab ich mich vor ihm gegruselt, ihn dann aber richtig lieb gewonnen», sagt die Künstlerin. Als Arbeitsgrundlage für ihre Figuren aus Gipsstuck hatten sie und ihr Kollege viel Lesestoff - schließlich sollte ja der Charakter der Personen zum Ausdruck kommen - außerdem die alten Fotos der Renaissance-Figuren und Abgüsse antiker Büsten aus Erlangen. Ob die etwas mit dem echten Aussehen der Personen zu tun hatten? «Nur bedingt», sagt Dornisch. «Die Büsten waren die Wahlplakate und nicht die Passbilder der Antike.»