Literaturhaus Nürnberg

Horrendes aus Draculas Heimat

15.9.2021, 10:00 Uhr
Lustige Erzählerin: Dana Grigorcea beim Poetenfest.

© Foto: Poetenfest Erlangen/Voggenreiter Lustige Erzählerin: Dana Grigorcea beim Poetenfest.

Der erste Vampir – war eine Frau. Auch daran sollte man denken, wenn man diesen Roman liest. Gab es vor Bram Stokers „Dracula“, der ein für allemal als adliger Ahnherr des Genres verehrt wird, doch in der Literaturgeschichte bereits eine blutsaugende „Carmilla“ – 1872, also 25 Jahre früher, erfunden von dem Iren Sheridan Le Fanu, dazu mit eindeutig lesbischen Zügen. Schon sehr progressiv . . .

Bei Dana Grigorcea, der aus Rumänien stammenden, seit langem in der Schweiz lebenden und mit viel Fabulierfreude auf Deutsch schreibenden Autorin, liegt die Modernität woanders. Sie greift den Mythos des nächtlichen Besuchers mit spitzen Zähnen auf, um ihn für eine Gesellschaftssatire ihrer Heimat zu nutzen – mit lustvollen fantastischen Elementen, die von der Realität jedoch leicht übertroffen werden.

Den Plan eines „Dracula-Parks“, größenwahnsinnig für Touristen aufgezogen im Stil von Disneyland, gab es zum Beispiel ja wirklich in Rumänien. Mit Erleicherung liest man in „Die nicht sterben“ (Penguin Verlag, 22 Euro) von der Idee und ihrem Scheitern im Sumpf der postkommunistischen Verhältnisse.

Ein Volksheld

Anlass ist die Entdeckung des Grabes, in dem der berüchtigte Vlad Dracul, Fürst der Walachei und grausamer Pfähler seiner Feinde, ruht: ein Volksheld, immer noch. Es ist, nicht ganz zufällig, das Familiengrab der jungen Erzählerin des Romans, einer angehenden Malerin, die nach dem Studium in Paris, zurückkehrt. Bei ihrer noblen Großtante Margot sucht sie in dem Kurort B. am Fuße der Karpaten ihre Bestimmung.

Für sexuelle Stimulanz sorgt ein irakischer Flüchtling, für gruselige Spannung der Tod einer weiteren alten Verwandten und, bei der Beerdigung, der grausige Fund eines gepfählten Hirten mit leeren Augenhöhlen – auch er einst ein Liebhaber, wie sich herausstellt.

Wie ein Tier

Grigorcea spielt sehr ironisch mit den Informationen, lässt ihre Erzählerin wie im 19. Jahrhundert stets Dinge ankündigen, die dann erst 100 Seiten später kommen, weil vorher noch so viel anderes geschildert werden muss. Und warum sieht und hört und riecht die Heldin auf einmal so gut, fast wie ein Tier? Was geht mit ihr vor?

Der Titel meint da nicht nur die tatsächlich auftauchenden Untoten, sondern mehr noch die Ausbeuter und sozialen Blutsauger, die schon unter Ceausescu an der Macht waren und nun den Kapitalismus als Form der Bereicherung erkannt haben. Etwa der Dorf-Bürgermeister und sein Sohn. Das Land, man sieht es aus Fledermausaugen, liegt brach wie eine verlassene Baustelle. Wie beim Erlanger Poetenfest wird Dana Grigorcea damit aber sicher auch heute im Literaturhaus für einhellige Heiterkeit sorgen. (15.9., 19 Uhr, Tickets online)

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