Horror der Vernetzung

29.5.2012, 00:00 Uhr
Horror der Vernetzung

© Eduard Weigert

Poetry Slam, Lesungen, Musik, Bildende Kunst, Theater, Film. Alles multimedial vernetzt und spartenübergreifend in Szene gesetzt, Bild und Ton gleichberechtigt, Körpereinsatz erwünscht, Gesang mitten im Text ebenso. Jeder Auftritt, ein kleines Gesamtkunstwerk, webgestützt, klar.

„Kunstwandler“ wurde von der Künstlergemeinschaft des Vereins „Zentrifuge“ initiiert. Das Konzept: Bildende Künstler schaffen Werke zu Texten, Poeten schreiben Texte zu Kunstwerken. Das Zusammenspiel wird zu einer Ausstellung verdichtet und auf der Bühne als Lesung mit Performanceelementen vorgestellt.

An der Decke über der Bühne hängt ein Balken mit Kabelsalat, links und rechts baumelt ein iPhone, in der Mitte ein Kopfhörer. „iMen“ heißt das Solo von Michael Jakob. Es zeigt einen jungen Mann, der im Netz seiner medialen Möglichkeiten zappelt: Apps, Mails, Downloads, Sms, dazwischen die krude Botschaft eines Fitnesscenters – alles prasselt auf ihn ein. Ein Trommelfeuer oberflächlicher Reize. Der Mann, eine Marionette. Eine arme Sau am Tropf von iPod, iPhone und iPad. Blöd nur, dass, was als Medizin ins Bewusstsein träufeln soll, der Krankheitserreger ist. (Das iPad fehlt übrigens in der Performance von Michael Jakob. Sollte unbedingt noch dazu kommen, damit der Horror komplett ist.)

„Wir warten schon lange nicht mehr, das Warten hat uns verraten, statt dessen gaben wir auf. Uns, einander und die Welt, wie sie uns zu Füßen lag, damals, weißt du noch.“ Vieles in dem Prosagedicht von Susanne Rudloff liest sich wie eine Replik auf Michael Jakob. „Als es grünte und blühte in unserem Frühling, als alles eitel war und wir im Angesicht des Himmels Wolken fingen mit bloßen Händen.“ Gemeinsam mit der Fotografin Dina Springhart las Susanne Rudloff einen Text, der durch Musikalität und gelungene Sprachbilder gefiel.

Das galt auch für die Kurzgeschichte „Ein Tag in seinem Leben“ von Alex Bardosch zu einer Plastik von Helge Wütscher, bei der er Dichtungsschläuche aus alten Waschmaschinen aufeinander schlichtete. Barbara Schofer ließ ihr Gedicht von der kalifornischen Künstlerin Cristy Carroll begleiten, Anne Ruske trug ihren Romanauszug „Der Tanz“ zu einem Film von Stella Springhart vor. Es war der Abend des interdisziplinären Dialogs. Nochmals zu hören am 16. Juni um 19 Uhr (Ausstellung bis 30. Juni, Josephsplatz 8).
 

Keine Kommentare