Interview: Das sagt TV-Kommissar zum neuen Franken-"Tatort"

23.2.2019, 05:29 Uhr
Interview: Das sagt TV-Kommissar zum neuen Franken-

© BR / Claussen+Putz Filmproduktion GmbH

Herr Hinrichs, Sie haben gerade in der Tschechischen Republik gedreht. Was genau stand da auf dem Programm?

Fabian Hinrichs: Ich habe da bei einem ZDF-Dreiteiler über die Hintergründe des Zusammenbruchs der DDR mitgemacht, ein sogenanntes Politdrama mit dem Arbeitstitel "The Wall". Regisseur ist Michael Krummenacher, mit dem ich auch die Serie "8 Tage" für Sky gedreht habe, die im März startet.


Achtung, Spoiler! So wird der Franken-"Tatort" aus Bayreuth


Nun wird man Sie aber erst mal im fünften Franken-"Tatort" sehen. Sind Sie ein Fan der Krimi-Reihe?

Hinrichs: Ich schaue mir das schon an, aber nicht systematisch. Mal überlegen, welcher der letzte "Tatort" war, den ich gesehen habe ... ich glaube, es war der aus Wien. Das Team mag ich gern.

Ganz allgemein herrscht in der deutschen Fernseh-Landschaft eine regelrechte Krimi-Inflation. Die Quote scheint zu stimmen. Warum, glauben Sie, stehen die Deutschen so auf Mord im TV?

Hinrichs: Ja, ein bisschen merkwürdig ist das tatsächlich. Aber das ist nicht nur in Deutschland der Fall. Wenn Sie sich die jetzt viel, vielleicht zu viel, beschworenen Serien ansehen, geht es darin auch um Drogendealer und Polizei oder um Serienmörder. Vielleicht mag da eine Art Angstlust im Spiel sein, wie sie Kinder bei Märchen haben. Und vielleicht ist der deutsche Krimi "ordentlich" genug, so dass er nicht zu sehr ins Unterbewusste hineingelangt. Seitens der Sender hat es womöglich mit einem etwas risikoscheuen Verfahren zu tun, dass man sagt: das funktioniert, also machen wir das. Wobei es bei den Filmen große Unterschiede gibt, selbst innerhalb der "Tatort"- Reihe. Ich denke, dieses Riesen-Angebot wird sich irgendwann automatisch bereinigen und die guten Sachen werden bleiben — hoffentlich.

Sie meinen, am Ende wird das Publikum abstimmen?

Hinrichs: Na ja, ich bin kein glühender Liebhaber der Quote. Ich wünschte mir eine Fernsehwelt ohne dieses Messinstrument, das ja in vielerlei Hinsicht sehr zweifelhaft ist, etwa so wie Bestsellerlisten, die sich nach Verkaufszahlen richten.

Welche Rolle spielt da der altehrwürdige "Tatort"?

Hinrichs: Ich glaube, der "Tatort" ist eine Art Ritual. Und Rituale erfüllen eine wichtige Funktion, zum Beispiel das der Vorhersehbarkeit; eine schlichte Beobachtung ist die, dass für das Wohlbefinden des Menschen Vorhersehbarkeit entscheidend ist. Man versammelt sich am Sonntagabend vor dem Fernseher und fasst den Mörder. Das ist identitätsstiftend. Was ja nichts Schlechtes ist, denn es gilt, alle rituellen Werkzeuge der Gesellschaft zu bewahren, weil ja viele dieser fixen Strukturen im Auflösen begriffen sind.

Was hat Sie motiviert, die Rolle des Felix Voss zu übernehmen? Spielen da eventuell auch wirtschaftliche Überlegungen mit rein?

Hinrichs: Es bringt mir einfach Spaß. Ich bin ja nicht Schauspieler geworden, um reich zu werden, auch wenn ich als Künstler ein unverhofft leichtes, komfortables und freudvolles Leben führe. Das sage ich hier auch ganz bewusst und auch provokant, gegen das Bestreben des Bürgers gerichtet, der die Künstler beständig in seine Agonie hinunterziehen möchte. Wegen des Geldes bin ich jedenfalls nicht eingestiegen. Mag sein, dass es in der Lebenswirklichkeit vieler Künstler so aussieht, dass sie nicht so viel verdienen, dafür führen sie oftmals ein überraschend lebendigeres Dasein als so mancher, der bei einer Versicherung arbeitet.

Ihr fünfter Fall führt Sie auch ins Bayreuther Festspielhaus. Können Sie mit Wagner etwas anfangen?

Hinrichs: Adorno hat ja von einem manipulativen Charakter dieser Musik geschrieben. Ich kann das teilen und nicht teilen. Kürzlich habe ich wieder einmal das Vorspiel von "Parsifal" gehört — das nimmt mich schon ein und ist in seiner neuartigen Radikalität einmalig. Es ist nicht so, dass ich mich jeden Abend in mythische deutsche Urwelten zurücksehne (lacht), aber ich höre das immer wieder mal gern an.

Die Kollegen vom Münchner "Tatort" sind inzwischen grau geworden. Können Sie sich vorstellen, den Felix Voss ebenso lange zu spielen ?

Hinrichs: (lacht) Das kann ich nicht sagen. Momentan habe ich keinen einzigen Gedanken ans Aufhören. Aber es ist natürlich nichts auf die nächsten 30, 40 Jahre einbetoniert. Bisher hat die Figur noch viel Entwicklungspotenzial, so ist dieser Felix Voss auch angelegt. Er hatte zu Beginn keine so zukleisternden Attribute, die er wie eine Monstranz vor sich hertragen musste und die ich dann immer wieder hätte reproduzieren müssen, obwohl sie längst schon leblos gewesen wären.


Experten-Quiz: Wie gut kennen Sie den Franken-"Tatort"?


Neben Ihrem Schauspieler-Beruf studieren Sie auch Kulturwissenschaften. Was treibt Sie da an?

Hinrichs: Ich kann das leider nicht so kontinuierlich und intensiv machen, wie ich will. Ich suche immer Zugänge zur Welt, bin gern in mehreren Welten zuhause. Mein Beruf gibt mir die Möglichkeit dazu. Das heißt nicht, dass ich ein nach marxistischer Maxime ausgerichtetes Leben führe. Es war ja der Traum von Marx, dass man frei von entfremdender Arbeit seinen Leidenschaften, nicht nur seinen ökonomischen Interessen, nachgehen kann. Ich suche — pathetisch ausgedrückt — leidenschaftliche Zugänge zur Welt, deshalb studiere ich. Der Begriff "ewiger Student" ist insofern für mich nicht negativ besetzt, sondern ein Wunschbild.

Apropos Zugang zur Welt: Bei sozialen Medien wie Facebook und Twitter sind Sie nicht vertreten. . .

Hinrichs: Nein, bin ich nicht. Ich habe übrigens auch nur ein Senioren-Handy. Warum? Mein jüngster Sohn hatte einmal mein Smartphone versteckt. Und das war wie eine Befreiung, weil ich nicht mehr hineingesogen wurde in das digitale Nichts. Was die sozialen Netzwerke betrifft: Für mich ist das nur der Schein von sozialem Miteinander, beziehungsweise die Kapitalisierung und damit die Vernichtung desselben.

Wie geht es mit Ihrer Schauspielerei auf der Bühne weiter? Sie haben ja unter anderem mit einem so renommierten Dramatiker wie René Pollesch gearbeitet.

Hinrichs: Im Oktober haben wir im Berliner Friedrichstadt-Palast mit einem neuen René-Pollesch-Stück Premiere. Es geht also auf der Bühne weiter, das ist sehr wichtig für mich. Da geht es mir um die Begegnung mit dem Publikum, sozusagen um die gegenseitige Überbrückung von Einsamkeit. Wenn das im Theater gelingt, ist es großartig. Das ist dann wieder so ein Ritual.

Verwandte Themen


1 Kommentar