Jetzt ist Schluss: Petra Gerster moderiert ihre letzte "heute"-Sendung

25.5.2021, 16:53 Uhr
Nach mehr als 20 Jahren verabschiedet sich Petra Gerster und bleibt mit Hund und einem neuen Buchprojekt beschäftigt.

© imago images/Future Image Nach mehr als 20 Jahren verabschiedet sich Petra Gerster und bleibt mit Hund und einem neuen Buchprojekt beschäftigt.

Petra Gerster kam 1955 in Worms zur Welt und machte nach dem Germanistikstudium, das sie unter anderem in Paris und den USA absolvierte, ein Volontariat beim Kölner Stadtanzeiger. Sie wechselte zum Fernsehen und moderierte ab 1989 das Frauenmagazin "ML Mona Lisa", ab August 1998 war sie Hauptmoderatorin der "heute"-Sendung.

Gerster ist die Schwester des Politikers und ehemaligen Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster. Sie ist mit dem Publizisten Christian Nürnberger verheiratet, das Paar hat zwei Kinder und lebt in Mainz.

Frau Gerster, am 26. Mai moderieren Sie zum letzten Mal die "heute"-Nachrichten im ZDF. Wie fühlt sich das nach so langer Zeit an?

Petra Gerster: Es ist ein komisches Gefühl. Ich habe normalerweise kein Lampenfieber mehr, aber vor der letzten Sendung werde ich wohl doch welches haben. Ich erinnere mich noch an meine letzte Moderation der "Aktuellen Stunde" im WDR, bevor ich zum Frauenjournal "ML Mona Lisa" im ZDF wechselte, damals war ich den Tränen nahe, obwohl ich nur drei Jahre bei der Sendung war.

Keine persönliche Show

Planen Sie etwas Besonderes für Ihren letzten "heute"-Auftritt?

Gerster: Nein. Es ist ja eine Nachrichtensendung und keine persönliche Show, und deshalb will ich sie genauso sachlich und konzentriert über die Bühne bringen wie alle anderen auch, und werde mich am Schluss kurz und schlicht verabschieden.

1998 haben Sie bei der Sendung angefangen. Was war die wichtigste Nachricht, die Sie seit damals melden durften?

Gerster: Schwer zu sagen. Bei den Anschlägen 9/11, die mir zuerst einfallen, hatte ich keinen Dienst. Ich kann Ihnen aber sagen, was für mich im Job die erste aufregende Nachricht war: Das war, als Oskar Lafontaine 1999 Knall auf Fall vom Amt des Bundesfinanzministers zurücktrat. Die Pressemitteilung erreichte uns gegen halb sieben, um sieben bin ich auf Sendung gegangen – an den Adrenalinstoß erinnere ich mich gut. Und leider auch an viele schreckliche Unglücke. Die nimmt man abends mit nach Hause, ob man will oder nicht.

Sie wirken auf dem Bildschirm immer so perfekt. Ärgern Sie sich, wenn was schief läuft?

Gerster: Aber natürlich. Ich ärgere mich über jeden Versprecher. Aber er spukt mir heute nicht mehr wie zu Anfang die ganze Sendung im Kopf herum. Jetzt kann ich sowas sofort abhaken und weitermachen. Wir sind halt Menschen, keine Maschinen.

So ein Patzer wie seinerzeit Dagmar Berghoff, die in der "Tagesschau" aus einem WTC-Tennisturnier ein WC-Turnier machte und danach einen Kicheranfall bekam, ist Ihnen nie passiert?

Gerster: Das war ja Gott sei Dank ein sehr harmloser Lapsus und wirklich lustig. Nein, ist mir nie passiert. Eigentlich fast schade... (lacht)

Sie kommen aus einer politisch regen Familie und hatten vor Ihrer journalistischen Karriere eine Laufbahn im diplomatischen Dienst erwogen. Ist es Ihnen schwergefallen, in den Nachrichten immer neutral zu bleiben und mit Ihrer Meinung hinter dem Berg zu halten?

Gerster: Aber nein, mir ist das nicht schwergefallen. Ich habe privat und beruflich immer getrennt und mich als politische Person in den Nachrichten zurückgenommen. Ich glaube, das ist mir auch ganz gut gelungen. Natürlich wird einem ab und zu unterstellt, dass man linkslastig oder rechtslastig sei – aber da solche Unterstellungen von beiden Seiten kamen, habe ich wohl nicht alles falsch gemacht. Wir bei der "heute" haben uns alle immer angestrengt, so objektiv wie möglich zu informieren, das entspricht unserem Berufsethos, und die guten Einschaltzahlen zeigen, dass das auch geschätzt wird.

Die Gesellschaft ist vielfältig und divers

Sie benutzen seit einer Weile in den Nachrichten gendergerechte Sprache und bekommen, wie Sie jüngst erwähnt haben, viele negative Reaktionen. Von wem – und warum?

Gerster: Die große Mehrheit derjenigen, die es ablehnen, ist älter und männlich. Ich denke, dass diese Ablehnung etwas mit der eigenen Machtstellung als Mann zu tun hat. Frauen sollen an ihrem Platz bleiben – und der ist hinter dem Mann, an zweiter Stelle. Oft sagen Männer: "Ich höre ja nur noch weibliche Endungen." Was haben denn Frauen gehört all die Jahre? Die haben Jahrhunderte lang nur männliche Endungen gehört.


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Warum sprechen Sie das Gendersternchen?

Gerster: Ich habe es selbst vor ein paar Jahren noch abgelehnt, bin aber inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass es an der Zeit ist, eine genderneutrale Form zu wählen, die klar macht: Die Gesellschaft ist vielfältig und divers. Ich setze es übrigens auch sehr dosiert, nur ein oder zweimal je Sendung ein, es ist nur eine winzige Irritation. Ich glaube, soviel Veränderung kann man schon ertragen, wenn man ein bisschen offen ist. Die Gesellschaft ändert sich und die Sprache ebenso. Ich bekomme auch immer mehr Post von jungen Frauen, die das toll finden und sagen: Endlich fühlen wir uns wahrgenommen.

Sie haben früher schon als Moderatorin des Magazins "ML Mona Lisa" Frauenthemen an den Mann gebracht…

Gerster: Frauenfragen, Emanzipationsfragen waren schon immer eine Herzensangelegenheit für mich, im Grunde seit meiner Kindheit und Schulzeit. Meine Großmutter war schon eine glühende Anhängerin der Suffragetten, die zu ihrer Zeit gerade das Wahlrecht für Frauen erkämpft hatten. Meine Mutter bewunderte den Mut der prominenten Frauen, die 1971 in der Zeitschrift "Stern" bekannten, abgetrieben zu haben. Mit der Hochachtung für Frauen, die sich etwas ertrotzen und nichts gefallen lassen, bin ich aufgewachsen.

Was hat sich denn abgesehen von der gendergerechten Sprache am stärksten geändert in Ihrer Zeit bei "heute"?

Gerster: Die sozialen Medien haben das Geschäft grundstürzend verändert. Seitdem sind Rundfunk und Fernsehen nicht mehr nur Sender, sondern auch Empfänger: Das Publikum meldet sich über die sozialen Medien zurück. Das kann lehrreich sein; insgesamt aber hat ihr Wirken, das im Gegensatz zu unserem keiner Kontrolle unterliegt, in den letzten Jahren ein ungutes Ausmaß angenommen, das unseren Job – die seriöse Information - nicht gerade erleichtert. Umso wichtiger aber ist die Arbeit der seriösen Medien wieder geworden, denn die überprüfen jede Information auf ihren Wahrheitsgehalt, indem sie die Quellen miteinander abgleichen und Fakten von Fakes trennen.

Jetzt ist Schluss: Petra Gerster moderiert ihre letzte

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Welche Fernsehnachrichten schauen Sie selber?

Gerster: Ich habe in meiner "heute"-Zeit wirklich viel Nachrichten geschaut. Hauptsächlich die von ZDF und ARD, aber natürlich auch bei RTL, n-tv oder CNN. In meinem Beruf fängt man morgens damit an und hört spät abends damit auf, mit dem letzten Blick ins Netz, man ist immer am Ball. Diesen exzessiven Nachrichtenkonsum werde ich mit Sicherheit einschränken und bin auch ganz froh darüber.

Wie wollen Sie die neugewonnene Freizeit in Zukunft nutzen?

Gerster: Ich arbeite schon noch weiter, schreibe mit meinem Mann wieder ein Buch, werde sicher auch ab und an moderieren und Vorträge halten. Aber insgesamt werde ich natürlich mehr Zeit haben – zum Beispiel für einen neuen Hund. So einen Welpen muss man ja erziehen und sich viel mit ihm abgeben, die Zeit dafür hat mir zuletzt leider gefehlt. Darauf freue ich mich am meisten.

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