Jubiläum in Coronazeiten

2.12.2020, 18:54 Uhr
Jubiläum in Coronazeiten

© Foto: Michael Matejka

Jubiläum in Coronazeiten

© Foto: Lena Mayer

Gefeiert werden kann nicht, das lange vorbereitete Fotofestival musste kurz vor dem Start gekippt werden, und auch die "Happy Birthday"-Ausstellung im eigenen Galerieraum im Defet-Haus fällt flach: Die Pandemie hat die Fotoszene Nürnberg e.V. ausgerechnet in ihrem Jubiläumsjahr kalt erwischt. Präsenz zeigt man zum zehnten Geburtstag trotzdem – mit einer neuen Ausstellung am Bauzaun an der Lorenzkirche, der dem Verein seit April als Schaufläche überlassen wurde. 14 der aktuell 22 Mitglieder blicken dort mit einer ganz subjektiven Bildauswahl auf die vergangene Dekade zurück. Corona-gerecht openair.

Dass die Fotoszene in diesen Zeiten überhaupt Lebenszeichen geben kann – und das prominent mitten in der City – ist für den Vereinsvorsitzenden Andreas Dietz und seine Vorstandskollegin Jutta Missbach momentan am wichtigsten. "Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir den Bauzaun nutzen dürfen und bekommen auf Instagram und Facebook viele positive Kommentare", erzählt Missbach.

Ein Trost in den traurigen Monaten des Lockdowns, in denen viele ihre Brotjobs verloren haben. Auch für Missbach, die als Fotografin hauptsächlich im Kulturbereich, unter anderem für das Staatstheater, tätig ist, fallen derzeit fast alle Aufträge weg. Sie weiß von Vereinsmitgliedern, die jetzt Regale im Drogeriemarkt auffüllen oder Getränke ausfahren, um halbwegs über die Runden zu kommen.

Das positive Feedback auf die Bauzaun-Ausstellungen zeigt aber auch: Die Fotoszene, die sich schon vor der Vereinsgründung zehn Jahre lang als lose Gruppe für eine stärkere Wahrnehmung der Fotografie als künstlerisches Medium einsetzte, ist keine unbekannte Größe mehr. "Wir haben inzwischen einen Namen in der Region", sagt Dietz. "Der Fotografie wird heute mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht. Ich würde unsere Ar- beit schon als erfolgreich bezeichnen."

Ein Erfolg, den man sich durch ein sehr engagiertes Ausstellungsprogramm erarbeitet hat. Den Anfang machten ab dem Jahr 2000 Präsentationen im Museum Industriekultur. Als dort kein Platz mehr war, ging man auf Wanderschaft, lockte mit Themenausstellungen seit 2005 an ungewöhnliche Orte: in die alten Industriehallen von MAN oder das ehemalige Quelle-Versandzentrum, in den Hochbunker in der Südstadt – oder 2008 in die Kongresshalle. "Zeitrauschen" hieß die Ausstellung damals, mit der die Fotoszene den monumentalen Nazi-Bau erstmals für die Kultur öffnete, noch bevor hier das Staatstheater während der Sanierung des Schauspielhauses gastierte. Mit der Ausstellung "Nachbarschaft" kehrten die Fotografen 2016 noch einmal an den belasteten Ort zurück.

Blick über den Tellerrand

Im selben Jahr wurde der Verein, der sein Basislager seit 2014 im Galeriehaus Defet hat, mit einem Kulturförderpreis der Stadt ausgezeichnet. Anerkennung auch für die hervorragende Vermittlungsarbeit. Zu vielen Ausstellungen werden Werkstattgespräche und Vorträge angeboten, werden Gäste eingeladen und junge Nachwuchsfotografen. Deren Förderung ist ein zentrales Anliegen des Vereins und in den letzten Jahren noch stärker in den Fokus gerückt. "Wir gucken heute mehr über den Tellerrand und kooperieren auch mit anderen Foto-Institutionen. Ganz wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule und der Kunstakademie", betont Dietz angesichts der großen Veränderungen des Mediums durch die Digitalisierung. "Dem müssen wir Rechnung tragen und die jungen Leute mit ins Boot holen. Sonst sind wir irgendwann ein Rentnerclub."

Der Blick über den eigenen Tellerrand ist auch ein wichtiger Aspekt des Festivals, das nun 2021 stattfinden soll – wie geplant über die ganze Stadt verteilt, mit Tandem- und Gruppenausstellungen der Fotoszene und internationalen Gästen, mit Präsentationen von Studierenden sowie mit einer Ausstellung, in der Kinder ihren fotografischen Blick auf die Welt zeigen.

Einige der vorgesehenen Orte können dann zwar nicht mehr dabei sein, dafür sind neue hinzugekommen – darunter das Fembohaus, das Foyer im Haus für Internationale Beziehungen, die Galerie LeonART und das Neue Museum. Festivalzentrum bleibt das Kunsthaus als wichtigster Kooperationspartner.

Zusätzlich soll es Ausstellungen im öffentlichen Raum geben, die das Motto "Facing Reality" um einen "aktuellen Block" ergänzen. "Das Festival wird nicht neu konzipiert, aber wir müssen die großen Themen dieses Jahres – Klimawandel, ,Black Lives Matter’-Bewegung und Corona – natürlich aufgreifen", sagt Dietz.

Und auch wenn die Pandemie uns noch länger im Griff hat: "Die Frage ist nicht, ob das Festival 2021 stattfindet, sondern wie", betont Missbach. Die Laufzeit wurde vorsorglich schon mal verlängert – von drei Wochen auf über zwei Monate (vom 17. April bis 27. Juni). Und für 2023 ist bereits eine Neuauflage angedacht – dann hoffentlich endgültig ohne Corona-Einschränkungen.

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