Keine Angst vor großen Namen

2.2.2018, 10:38 Uhr
Keine Angst vor großen Namen

© Foto: John Hogg

Mein lieber Schwan, so frech und fröhlich hat man Tschaikowskis unverwüstlichen Ballett-Klassiker noch nicht gesehen! Die üblichen Geschlechterrollen, Hautfarben und kulturelle Traditionen spielen in der Version von Dada Masilo kaum eine Rolle. Die junge Choreografin hat "Schwanensee" 2010 für das National Arts Festival in Szene gesetzt und mit dem Ensemble der Dance Factory in Johannesburg uraufgeführt. Klar, dass dabei etwas anderes herausgekommen ist, als man vom Bolschoi-Ballett seit fast 150 Jahren gewohnt ist.

Denn Dada Masilo steht für eine Generation südafrikanischer Künstler, die versuchen, dem europäischen Kulturimport gerade auf dem Gebiet von Tanz und (Musik-)Theater etwas Eigenständiges entgegenzusetzen. Das war ja im Apartheid-Staat jahrzehntelang verpönt und hat Folgen bis heute. "Ich bin mir nicht ganz sicher, wann ich auf die Idee kam, klassisches Ballett mit afrikanischem Tanz zu verschmelzen", sagt Masilo, "aber irgendwie fühlte es sich richtig an."

The Dance Factory ist eine wilde Truppe, die keine falsche Ehrfurcht vor großen Namen und Stoffen kennt – und sie doch ernst nimmt. Am Anfang bewegen sich die schwarzen und weißen Tänzerinnen und Tänzer ziemlich nahe am Original zu Tschaikowskys Musik aus der Konserve. Alle tragen weiße Tutus, Männer wie Frauen. Doch hier geht’s nicht um eine verzauberte Schwanenprinzessin in einer Märchenwelt, sondern um Beziehungsprobleme von heute. Das wird schnell klar, als eine Moderatorin das Wort ergreift und einen ironischen Kommentar zum Bühnengeschehen abgibt.

Fortan wird eine andere Geschichte erzählt, die mit Homosexualität und südafrikanischer Realität zu tun hat: Der Bräutigam will von seiner hübschen Braut nichts wissen, denn er ist unsterblich in einen anderen Mann verliebt. Die Kunst der Verführung thematisiert Masilo ebenso wie den Kampf der Geschlechter und die Unmöglichkeit der Liebe. Dabei kratzt sie immer noch rechtzeitig die Kurve, bevor ihre Choreografie in Klamauk oder Parodie umkippt.

Die Truppe beherrscht das klassische Ballettvokabular ebenso souverän wie die afrikanische Tanztradition. Rhythmisches Stampfen, Schreie und Gesang mischen sich mit symphonischer Musik. Ein kurzes, einstündiges Vergnügen, aber eine aufregende Neuinterpretation!

Weitere Vorstellungen: 2., 3. und 4. Februar, jeweils 19.30 Uhr. Karten-Tel. 09 11/ 9 74 24 00

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