Premierenauftakt im Schauspiel

Kriegenburg inszeniert "Spiel der Illusionen": die "abgefuckte Modernität" von Pierre Corneille

25.9.2021, 05:55 Uhr
Wagt sich an ein Barockstück und will es in die Gegenwart holen: Andreas Kriegenburg inszeniert "Spiel der Illusionen" von Pierre Corneille.

© Foto: Wolf Ebersberger Wagt sich an ein Barockstück und will es in die Gegenwart holen: Andreas Kriegenburg inszeniert "Spiel der Illusionen" von Pierre Corneille.

Vielleicht nur ein schöner Zufall, vielleicht ja knallhart koordiniert: Nach der tragischen „Phädra“ von Racine – das Thema: wenn Stiefmütter zu sehr lieben! – kommt mit dem „Spiel der Illusionen“ von Pierre Corneille nun ein weiterer Klassiker des französischen Barock auf die Bühne des Nürnberger Schauspielhauses.

Eine raffinierte, in Versen und Reimen gedichtete Komödie um Schein und Sein, bei der zum Glück schon der Name des Regisseurs dafür bürgt, dass alle Ebenen der Komik raffiniert hervorgekitzelt werden. Zumindest erhoffen wir das von Andreas Kriegenburg. Am 1. Oktober, 19.30 Uhr, ist Premiere.

Düsternis, wohin man schaut: Andreas Kriegenburgs "Antigone" in Nürnberg. 

Düsternis, wohin man schaut: Andreas Kriegenburgs "Antigone" in Nürnberg.  © Konrad Fersterer

Kriegenburg, seit langem ein Star der deutschen Theaterszene, hat bereits zwei Mal für Höhepunkte im Programm des Staatstheaters gesorgt. Einmal mit einer ins Reale überbordenden „Nora“, dann mit einer „Antigone“, die bis ins Absurde eines Beckett mündete: Beide Male konnte man Pauline Kästner als radikal geforderte Hauptdarstellerin stärker denn je erleben.

Hier nun wird es heiter und unbeschwert. Mit einem frühen Werk des Anwalts und erfolgreichen Dramatikers Pierre Corneille (1606–1684) greift Kriegenburg in den Zauberkasten des Theaters und wirft das „Spiel der Illusionen“ an.

„Ein zu Unrecht selten gespieltes Stück“, so der Regisseur, „das wir in der Tiefe der Corona-Lethargie für uns entdeckt haben. Es soll ein Abend werden, an dem das Theater seine Arme öffnet, an dem es ein Fest anrichtet, sich in praller Lust und Fantasie präsentieren kann.“

Die Ausstattung ist top, aber die Gefühlswelt ist aus den Fugen: So inszenierte Andreas Kriegenburg Ibsens Drama "Nora" in Nürnberg.

Die Ausstattung ist top, aber die Gefühlswelt ist aus den Fugen: So inszenierte Andreas Kriegenburg Ibsens Drama "Nora" in Nürnberg. © Staatstheater, Fersterer

Die Anlage dazu hat das Werk von 1635, das auch schon als „Komodie der Täuschungen“ oder „Triumph der Illusionen“ übersetzt wurde, bereits in der Handlung. Ein Vater vermisst da seinen Sohn, sucht ihn verzweifelt, den Verschwundenen, und landet bei einem Zauberer. Der gaukelt ihm die ganze Geschichte des Sohnes als aberwitziges Theater vor und sorgt damit für Rührung: War der Vater gar zu streng und lieblos damals?

Verschachtelte Welt: Andreas Kriegenburgs "Antigone" im Schauspielhaus Nürnberg.

Verschachtelte Welt: Andreas Kriegenburgs "Antigone" im Schauspielhaus Nürnberg. © Foto: Ludwig Olah, Staatstheater Nürnberg

Von der „Herzensenge“ spricht Regisseur Kriegenburg, aus der hier einer geführt wird, mit einem selbst schon rührenden Aufwand: „Für einen einzigen Zuschauer wird da eine große Show gemacht, mit Magie und Verführung.“ Natürlich ist das eine Steilvorlage – Theater im Theater, die doppelte Fiktion. „Davon lebt das Theater ja, dass es zeigen kann, wie reich es ist an Mitteln... Sowohl in der Komik, als in der Psychologie von Paaren.“

Denn natürlich spielt die Liebe eine Rolle, keine kleine am Ende, und Kriegenburg sieht dabei in den Figuren sogar eine „abgefuckte Modernität“ – in ihrer Sehnsucht wie andererseits den Karrierezwängen. Denn immer geht es auch um Klasse, um Stand. „Upper-Class“, so Kriegenburg lächelnd, wie immer in feinstem Anzug (heute blau) gekleidet.

Pauline Kästner als Antigone in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg in Nürnberg.

Pauline Kästner als Antigone in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg in Nürnberg. © Konrad Fersterer

Das spiegelt sich in der eloquenten, hier neu und effektiv übersetzten Sprache Corneilles, die „einen eigenen Sog erzeugt, wenn sie – trotz Reim und Versmaß – so schnell und direkt gesprochen wird“, verspricht der Regisseur, der acht Spieler auf die große Bühne schickt. Darunter Thomas Nunner als Vater und Michael Hochstrasser als Zauberer.

Pauline Kästner als exaltierte Ehefrau am Rande des Nervenzusammenbruchs in Henrik Ibsens Drama "Nora". Regie führte Andreas Kriegenburg. 

Pauline Kästner als exaltierte Ehefrau am Rande des Nervenzusammenbruchs in Henrik Ibsens Drama "Nora". Regie führte Andreas Kriegenburg.  © KONRAD FERSTERER

„Das ist dann auch fern aller trivialen Komik“, so Kriegenburg. „Es zeigt das Theater in seinen poetischen Möglichkeiten wie in seinen Taschenspielertricks. Am Schluss ist alles Fantasie auf der Bühne... es gibt keine Realität mehr. Genau diese Ausgelassenheit will ich vermitteln.“

Wir meinen, das könnte klappen.

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