Lebenslange Erinnerungsarbeit

14.4.2021, 09:41 Uhr

Die Fotografien entstanden zwischen 1949 und 1994 an unterschiedlichen Orten. Sie zeigen bekannte Persönlichkeiten, die mit Beginn der NS-Diktatur 1933 aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden und Deutschland verließen. Nicht alle kehrten nach Ende des Zweiten Weltkriegs dauerhaft zurück. So begegnet man auf den Porträts verschiedenen Prominenten, die das öffentliche Leben nicht nur in Deutschland bis in die 2000er Jahre mitbestimmten. Hierzu gehört der in Nürnberg als Sohn eines jüdischen Kaufmanns aufgewachsene Hermann Kesten, der über Frankreich und die Niederlande 1940 in die USA emigrierte. Nach dem Krieg lebte er zunächst in Rom, wo ihn Stefan Moses in einem Café sitzend festgehalten hat: Die besondere Atmosphäre des Interieurs prägt die Wahrnehmung Kestens als Schriftsteller und Lektor. Vielen ist er auch als Stifter des Preisgeldes für den ersten Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis 1995 in Erinnerung.

Weitere Exponate zeigen die Schauspielerin und gefeierte Brecht-Interpretin Therese Giehse, den Schriftsteller Thomas Mann oder den Juristen Fritz Bauer, der sich unermüdlich für die Ahndung der NS-Verbrechen einsetzte. Im Unterschied zu den hier erkennbaren individuellen Settings folgen andere Porträts dem Konzept der sorgfältigen Inszenierung unter ähnlichen Rahmenbedingungen. Beispielsweise entstanden Fotografien von Willy Brandt, Tilla Durieux u.v.a. als Ganzfigur in natürlicher Kulisse für das Projekt Große Alte im Wald, das Moses in den 1960er Jahren begann. Einige der Aufnahmen integrierte er in Deutschlands Emigranten: Die Serie ist eine Art Resümee seines Schaffens, das in der modernen Porträtfotografie neue Maßstäbe gesetzt hat.

Stefan Moses selbst, Sohn eines jüdischen Juristen, überlebte die Internierung in einem schlesischen Zwangsarbeitslager und wurde in München ansässig. Vor diesem Hintergrund erklärt sich sein Interesse am Schicksal deutscher Emigrant*innen und seine Empathie, die in vielen seiner Fotografien augenfällig wird: „Jeder hat seine Aufgabe. Meine ist: Menschen festzuhalten, bevor sie verloren gehen. Die Fotografie ist lebenslange Erinnerungsarbeit.” Die Studioausstellung ist Teil des Programms zum bundesweit begangenen Festjahr 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland.

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