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Nackte Körper und leere Straßen: Barbara Probst stellt in der Kunsthalle Nürnberg aus

15.3.2021, 17:10 Uhr
Körperteile werden zu Rätselfragen: Aktfotografien von Barbara Probst in der Kunsthalle Nürnberg.

© Barbara Probst Körperteile werden zu Rätselfragen: Aktfotografien von Barbara Probst in der Kunsthalle Nürnberg.

Was haben die Straßen von New York und nackte Körper, was haben Mode-Models und Stillleben gemeinsam? Einen Ausstellungstitel in Nürnberg. Unter dem Motto „Streets Fashion Nudes Still lifes“ stellt die in New York lebende deutsche Fotokünstlerin Barbara Probst – vorerst wegen der Inzidenzzahlen leider nur virtuell – in der Kunsthalle aus. In ihren Bildern ist das Schauen die Schau. Und zwar im Wortsinn. Es geht um Blickwinkel.

Kein Mensch kann im selben Augenblick aus verschiedenen Perspektiven auf ein und dieselbe Situation blicken. Das allgemeingültige Bild gibt es deshalb nicht. Dieser Umstand reizt die 1964 in München geborene Künstlerin kreativ – und sie reizt ihn großformatig aus.

Vors Licht geführt

Probst fotografiert mit bis zu 14 Einzelmotiven einen Moment simultan aus verschiedenen Kamerapositionen. Die Apparate sind dabei durch einen gemeinsamen Auslösemechanismus verbunden. Dass die Kameras teilweise selbst im Bild zu sehen sind, ist ein weiterer Kniff der Künstlerin, unsere Wahrnehmung vors Licht zu führen.

Die Annahme, Fotografien lieferten sachlichere Informationen als etwas die Malerei, straft sie dieser Art Lügen. Machen ihre Aufnahmen doch in der Serie offenkundig, dass auch ein Foto nie die einzige Wirklichkeit abbildet, sondern nur eine Sichtweise von unendlich vielen ist.

Dass es sich um Zwillinge handelt, das sieht man erst auf den zweiten Blick: Fotografien von Barbara Probst in der Kunsthalle Nürnberg.

Dass es sich um Zwillinge handelt, das sieht man erst auf den zweiten Blick: Fotografien von Barbara Probst in der Kunsthalle Nürnberg. © Barbara Probst

Wer die Ausstellung betritt, trifft auf eine Großstadtkulisse bei Nacht. Probst hat ihr Atelier im New Yorker Stadtteil Soho. Die Dachterasse des Gebäudes mit 23 Stockwerken dient wiederholt als Kulisse, um gleichzeitig auch ein Sinnbild zu sein: für den näher gezoomten oder Distanz schaffenden Blick von oben.

Schwarz-Weiß wechselt mit Farbe, Bewegung mit Statik, wenn die Künstlerin vor starren Kameras über dem New Yorker Lichtermeer hüpft. Die Schnippsel aus der Wirklickeit sind in der von Harriet Zilch kuratierten Ausstellung sinnlich und oft genug atmosphärisch stark.

Körperteile werden zu Rätselfragen

Ihre Ausbildung als Bildhauerin sieht man der Fotokünstlerin nicht zuletzt bei den Aktaufnahmen an. Ja, es menschelt. Arm? Bein? Achsel? Körperteile werden zu Rätselfragen. Die Kameras stehen wie Störenfriede zwischen Betrachter und Akt und spiegeln das Hinschauen wieder. Probst arbeitet aber auch für Labels wie Versace und Hermes, Aufträge für Magazine nimmt sie ebenfalls an. Wobei sie als Modefotografin mit den Hierarchien bricht: Der makellose Schein wird zum schnöden Gestaltungselement und Blickfängerinnen zu Voyeuren, wenn sie Models zeigt, die sich gegenseitig fotografieren.

Weit entfernt so nah: Die Frau auf dem Zebrastreifen ist die gleiche wie rechts im Bild. Der Mann mit den Luftballons läuft in New York hinter ihr. Fotokünstlerin Barbara Probst spielt mit solchen Perspektiven.

Weit entfernt so nah: Die Frau auf dem Zebrastreifen ist die gleiche wie rechts im Bild. Der Mann mit den Luftballons läuft in New York hinter ihr. Fotokünstlerin Barbara Probst spielt mit solchen Perspektiven. © Barbara Probst

Weil Probst zum Beispiel bei den Straßenmotiven Passanten in Nahaufnahme aufnimmt, sie aber zeitgleich von höherer Warte aus fotografiert, haben ihre Arbeiten zuweilen den Charakter von Wimmelbildern, in denen man Ansatzpunkte sucht. Bewusst verwendet Probst in der Präsentation kein entspiegeltes Museumsglas: Der Betrachter soll sich beim Betrachten sehen.

Die neueste Serie zeigt New York wie leergefegt im Lockdown. Noch prosaischer sogar berühren Bilder, die rund um ein Holzhaus auf Long Island entstanden sind – drinnen wie draußen. Eine junge Frau blickt aus dem Fenster. Das Glas wirft ihr Gesicht vor dem Hintergrund eines Baumstamms zurück. Das gelingt Probst auch: Poesie.

Info: Digitaler Rundgang und Künstlergespräch www.kunsthalle.nuernberg.de

Katalog 38 Euro.

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