Opulent und offensichtlich: "Sieben Minuten nach Mitternacht"

4.5.2017, 19:59 Uhr
Opulent und offensichtlich:

© Foto: Studiocanal

Sieben Minuten nach Mitternacht" beginnt der Albtraum, von dem der britische Schüler Conor O’Malley (Lewis MacDougall) immer wieder heimgesucht wird. Die Erde auf dem nahen Friedhof beginnt zu beben, die Kirche stürzt ein und der Junge kann nicht verhindern, dass seine Mutter in einen Abgrund stürzt. Der Traum entpuppt sich bald als Schlüsselszene des Dramas. Conors Mutter (Felicity Jones) ist an Krebs erkrankt, der auf sich gestellte Junge fürchtet sie zu verlieren. In der Schule ist der verträumte Kerl der typische Außenseiter, der von Klassenkameraden drangsaliert wird.

Dieses Ausgangssetting hat man so ähnlich schon etliche Male auf der Leinwand gesehen. Und Juan Antonio Bayona bemüht sich um eine neue Variante. Nach einer Jugendbuchvorlage des britisch-amerikanischen Autors Patrick Ness lässt er Traum- und Wirklichkeitsebenen tatsächlich gekonnt ineinanderfließen. Vieles erinnert an Steven Spielbergs "Poltergeist" und "E.T.", entsprechend wird der Film sein Publikum unter Jugendlichen und Erwachsenen finden.

Da schält sich ein riesiges, aus dem Inneren glühendes Baum-Monster aus einer alten Eibe, das zwar zerstörerische Kraft hat, aber dem einsamen Conor wohlgesonnen ist. Das knarzende Wesen behandelt ihn etwa so wie King Kong die "weiße Frau" in einem alten Film, den sich der Junge mit seiner Mutter angesehen hat. Drei Märchen hat der Wurzelriese für Conor parat. Es gibt nicht nur Gut und Böse, die Wahrheit liegt meist irgendwo dazwischen, lautet deren nicht ganz neue Botschaft.

Traumhaft schön visualisiert

Visualisiert werden diese Sequenzen allerdings mit traumhaft schönen Aquarellzeichnungen, die — wie die Szenen mit dem Baum-Monster — erfreulicherweise ohne aufgesetzte Effekte auskommen. Dass sich in der opulenten Fantasiewelt auch der aufgewühlte Seelenzustand der Hauptfigur spiegeln soll, ist offensichtlich. Das funktioniert — nicht zuletzt, weil Lewis MacDougall diesen Conor überzeugend spielt. Erst am Ende wird klar werden, dass diese Bilderbuch-Bilder als starkes Bindeglied zwischen Mutter und Sohn wirken.

Trauer, Wut und die Angst loszulassen — der berührende emotionale Kampf des Jungen steht dabei immer im Mittelpunkt. Schade, dass der Film beim Showdown dann unnötig dick aufträgt. (USA/E/GB/108 Min.)

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