Peter Maffay wird 70: "Heute stehen wir am Abgrund"

27.8.2019, 16:55 Uhr
Peter Maffay wird 70:

© Foto: Peter Kneffel/dpa

Herr Maffay, war es mal wieder höchste Zeit für Lederjackenmusik?

Peter Maffay: Absolut. Das deutete sich ja schon länger so an. Wir haben das letzte Rock-’n’-Roll-Album "Wenn das so ist" vor fünf Jahren gemacht. Dann kam "Tabaluga", dann kam "MTV Unplugged", und dann wurde es Zeit. Das Album ist, abgesehen von einigen schönen Balladen, schon recht kantig.

Sie spielen am Donnerstag in Berlin in Ihren Siebzigsten hinein. Welchen Song werden Sie in der Columbiahalle um Punkt Mitternacht anstimmen?

Maffay: "1000 Wege" ist der letzte Song auf der Platte, und da wir nur die spielen, wird das auch bei dem Konzert der letzte Song sein. Dann geht es ab in die Nacht, und wie dort die tausend Wege aussehen, das weiß ich noch nicht. Ich denke mal, es wird eine Party geben. Und am nächsten Morgen um 5 Uhr werde ich zum Frühstücksfernsehen gehen. Kann sein, dass ich durchmache.

In "1000 Wege" heißt es "Wir müssen nicht immer bloß geradeaus laufen". Was waren Ihre bisherigen knapp 70 Lebensjahre für ein Weg?

Maffay: Da war wirklich alles dabei. Ich bin gesprungen, untergetaucht, gestolpert, auf die Schnauze gefallen. Kurven waren dabei, manche Strecken verliefen auch durchaus schön gerade. Ich habe vieles gesucht, einiges auch gefunden und weiß, dass die Suche nicht wirklich aufhört.

"Jetzt!" ist ein ziemlich ernstes Album. Das Video zu "Morgen" mit seinen Schreckensbildern könnte zarten Gemütern geradezu Angst machen.

Maffay: Die Realität macht noch mehr Angst als das Video. Weil man ja weiß, dass die 25 oder 30 Situationen aus dem Video locker durch tausend andere ebenso entsetzliche Szenen ersetzt werden könnten. Am Anfang haben einige gesagt, so weit könne man in einem Video nicht gehen. Und ich entgegnete: "In der Wirklichkeit dann schon?" Steckt man den Kopf in den Sand und tut so, als gäbe es das nicht? Wir hier in einem relativ geschützten Europa haben noch gar nicht richtig erspürt, was draußen in der Welt passiert. Das ist zum Teil viel, viel heftiger als wir uns vorstellen können. Man muss versuchen, einen globalen Konsens zu finden, anders lassen sich viele Themen gar nicht angehen.

Nach Konsens sieht es aktuell nicht aus.

Maffay: Genau. Diese Schere ist das Erschreckende. "Eiszeit" ist 1982 entstanden, in dem Lied geht es um atomare Bedrohung. Und wo sind wir heute mit Trump, den Iranern, den Nordkoreanern und den Russen? Nicht viel weiter. Oder, wie es so schön heißt: Heute stehen wir am Abgrund, und morgen machen wir einen Schritt nach vorne.

Sind Sie Pessimist?

Maffay: Nein, das kann ich mir nicht leisten. Mein Sohn will keinen Pessimisten als Vater. Meine kleine Tochter kann es noch nicht erfassen, aber in ein paar Jahren wird sie vielleicht sagen "Willst du wieder warten, bis der Morgen kommt?" Mir rennt die Zeit davon, uns rennt die Zeit davon. Ich glaube immer noch, dass es Möglichkeiten gibt, einige Entwicklungen zu reparieren, andere auch komplett zum Guten zu wenden. Aber, und das ist ja der Hintergrund des Liedes: Wir müssen jetzt etwas tun – nicht morgen.

Aktuelles Album: Peter Maffay, "Jetzt!" (Sony Music). Am 19. März 2020 spielen Peter Maffay & Band in der Nürnberger Arena. Karten im NN-Ticket-Corner, Telefon: 09 11/2 16 27 77.

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