Pfiffiges Posaunenduo

9.11.2015, 19:09 Uhr

Was die beiden Schweden in der vollen Meistersingerhalle zum Vergnügen, Staunen und Schaudern des Publikums als schräges Virtuosenteam scheinbar locker aus dem Handgelenk zauberten, entstammt der spitzen Feder eines weiteren Querdenkers aus Schweden – des 44-jährigen Crossover-Komponisten Frederik Högberg. Diese gewiefte wie produktive künstlerische Ménage à trois aus Skandinavien mag kein Zufall sein. Denn es braucht wohl gerade die eigenwillige Melange aus ferner Bewunderung und notwendiger Distanz, aus größtmöglicher Verehrung und Tiefenanalyse, um die derzeit versinkende Ära des amerikanischen Jazz noch einmal in ihrer vollen Schönheit zu würdigen.

Gleichzeitig dreht Högbergs 2009 zunächst für Bigband konzipiertes „Konzert für zwei Posaunen und Orchester“ freilich auch dem klassischen Virtuosentum eine lange Nase. Konsequent wird „hohe Kunst“ da anarchisch deklassiert, um nach dem Unordnungsprinzip der Marx Brothers ein musikalisches Lagerfeuer zu entfachen, an dem sich im Idealfall neue Zielgruppen einfinden könnten.

Die „Rudolphini Brothers“ mit ihren „tromboni buffa“ tanzen vor, wie es gehen soll — mittels spektakulärem Salto Mortale auf rauchenden Trümmern aus der Asservatenkammer historischer Jazzdialekte und mit opulenter Artistik geschmiert. Das tönt herzerwärmend wie große Balladenkunst – wenn Nils Landgren, der künstlerische Leiter des Festivals Jazz Baltica, die rote Posaune ruhen und seine von vielen Bühnenjahren angeschrammte und doch im Ausdruck unversehrte Chorjungenstimme erklingen lässt. Oder man schmettert in freundschaftlicher Allianz schaurig-schöne Riff-Attacken in die Menge, die diesen vom Orchester stilvoll ausstaffierten Aberwitz gern mitfeiern mag.

Feingeschliffener Gestus

Davor und danach zeigte Lindberg, derzeit amtierender Leiter des Arctic Philharmonic Orchestra, wie er als Dirigent Furore macht. Mit abgezirkelter Präzision und feingeschliffenem Gestus entdeckt er in Sibelius' nationalheiligtümelnder „Karelia“-Suite ungeahnte Agilität. Als tiefschwarzes, collagenhaftes und doch erstaunlich luftiges Nachtstück malt er hingegen die — nach jahrelanger Arbeit ab dem Jahr 1951 letztlich unvollendet gebliebene — erste Symphonie des schwedischen Individualisten Allan Pettersson aus.

Zuletzt erklingt Tschaikowskys „Romeo und Julia“-Ouvertüre als tiefenpsychologisches Meisterstück – ein eiskalter Balanceakt auf dem Spannungsgipfel und ein Suspense-Akt, der sich insofern auch bestens fügte in das mit Showeffekten nicht geizende, variantenreiche Programm.

Nächste Symphoniker-Termine: 21. November, Shelleys meets John Davis, Meistersingerhalle; 25. und 26. November, „Von der Erde zum Mond“, Rufus Beck liest Jules Verne (Musiksaal am Dutzendteich). Karten unter Tel.: (09 11) 4 74 01 54

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