"Revolverheld" kommt in die Nürnberger "Arena"

17.3.2019, 15:45 Uhr

© F.: Benedikt Schnermann

Herr Hünecke, wie kam es zu dem Bandnamen Revolverheld?

Kristoffer Hünecke: Wir wollten einen Namen, der die Leute anspricht. Und wir wollten von vornherein klarstellen, dass wir deutsche Texte schreiben. Das war 2002, als wir uns gegründet haben, keineswegs Usus. Es gab zwar ein paar Bands wie Selig und Wir sind Helden, die das zu dem Zeitpunkt schon gemacht haben, aber die Hörgewohnheiten waren ganz andere als heute. Damals wurde noch über eine Radioquote für deutschsprachige Titel diskutiert. Das ist ja durchaus von Belang, wenn du die Texte auf einmal verstehst und direkte Assoziationen hast mit konkreten Worten und Bildern. Kaum jemandem würde hierzulande einfallen, die Red Hot Chili Peppers danach zu fragen, warum sie sich nach einer roten scharfen Paprikafrucht benannt haben. Wenn du aber Revolverheld hörst, denken die meisten automatisch an Western. Man hat sofort ein bestimmtes Bild vor Augen. Da spielt sich nicht alles hinter einer Milchglasscheibe ab.

Wie das bei englischen Texten oft der Fall ist?

Hünecke: Zumindest wäre das mit der Milchglasscheibe so, wenn wir englische Texte singen würden. Mein Lieblingsbeispiel in dem Zusammenhang ist "I love you": Das kommt praktisch in jedem zweiten englischsprachigen Pop-Song vor, ohne dass sich jemand daran stören würde. In Deutschland hingegen scheint der Satz "Ich liebe dich" ausschließlich im Schlager erlaubt zu sein.

Steckt hinter dem Lied "(Scheiß auf) Freunde bleiben" eine wahre Geschichte?

Hünecke: Die Nummer hat unser Sänger Johannes schon zur ersten Probe mitgebracht. Darin geht es tatsächlich um eine Trennung, die er damals gerade hinter sich hatte. Nur ist die in Wirklichkeit, soweit man das für eine Trennung sagen kann, recht harmonisch verlaufen. Deswegen war der Text zunächst auch wesentlich versöhnlicher. Ursprünglich hieß es da sogar: "Lass uns Freunde bleiben". Das mit dem "Scheiß auf Freunde bleiben" haben wir später eingebaut, weil das irgendwie besser zu der krawalligen Aufbruchstimmung passte, die unser erstes Album besaß.

Wie kam die erste Probe zustande?

Hünecke: Jakob unser Schlagzeuger, Niels unser zweiter Gitarrist und ich, wir waren schon zu Schulzeiten eine Band und haben ständig nach dem richtigen Sänger gesucht. Das war eine echte Odyssee bis wir beim Kontaktstudiengang für Popularmusik in Hamburg auf Johannes gestoßen sind. Das ist wie so eine Art Musiker-Börse, wo sich viele Bands, wie zum Beispiel auch Wir sind Helden, gefunden haben. Es gibt dort immer ein Abschlusskonzert, bei dem wir dann Johannes gesehen und gleich gemerkt haben, dass er total gut zu uns passen würde. Der war, genau wie wir, schon damals auf deutsch unterwegs und auch sonst mit dem, was er geschrieben hat, gar nicht weit von uns weg. Als wir unsere erste gemeinsame Probe hatten, hat das auch prompt wunderbar geklappt.

Ein Pop-Studium und Rock’n’Roll, wie passt das zusammen?

Hünecke: Der Begriff Rock’n’Roll hat mehr mit Attitüde und Lifestyle zu tun. Wenn der Mythos und die Maßlosigkeit, die damit gern in Verbindung gebracht werden, überhaupt jemals existiert haben, dann lange bevor wir auf der Welt waren. In der heutigen Pop-Musik spielt das kaum noch eine Rolle. Natürlich haben die typischen Alternative-Rock-Bands aus der Crossover-Ära der 90er wie Pearl Jam oder Nirvana unsere Musik mitgeprägt. Das kann man besonders auf unserem ersten Album hören. Abgesehen davon finde ich, wir sind den normalen Band-Weg gegangen. Immerhin kennen wir uns seit unserer Schulzeit. Wenn man sieht, was sich aktuell in den deutschen Charts aufhält, sind das oft Leute, die alleine Musik machen. "Echte" Bands werden stetig weniger.

Was waren die Beweggründe, ein Loblied auf Spinner zu schreiben?

Hünecke: Das hatte ganz pragmatische Gründe. Der Song war als Mutmacher für meine damalige Freundin und heutige Ehefrau gedacht. Die fühlte sich in ihrem Job nicht sonderlich wohl und hätte am liebsten auf der Stelle gekündigt, um ein eigenes Café aufzumachen, weil das ihr großer Traum war. Das wurde irgendwann zu einem Dauerthema, weil wir ständig darüber geredet haben. Als Musiker bin ich gewöhnt, an "unrealistische" Dinge zu glauben. Das Wort "Spinner" habe ich in dem Zusammenhang immer sehr gern gemocht, obwohl es eigentlich negativ besetzt ist. Ich finde allerdings, dass darin eine ungeheure positive Kraft steckt. Klar, das klingt vielleicht manchmal pathetisch, bestimmte Sachen, die man sich vornimmt, als Traum zu bezeichnen. Aber ich finde es schon bemerkenswert, wenn jemand seine Wünsche in die Tat umzusetzen versucht. Denn das erfordert oft eine Menge Mut. Und bei meiner Frau hat das wunderbar funktioniert. Am Ende hat sie sogar zwei Cafés aufgemacht und ist ausgesprochen glücklich damit geworden.

Täuscht der Eindruck oder ist der Revolverheld-Sound im Laufe der Zeit poppiger geworden?

Hünecke: Das ist ein Prozess, der automatisch passiert. Das Songschreiben hat für uns immer mehr an Bedeutung gewonnen. Für mich ist Musik ein Transportmittel. Prinzipiell kann eine ausgefuchste Melodie im Rockgewand genauso funktionieren wie in einem poppigen Sound. Nur muss das Transportmittel zum Text passen. Manche Songs sind rockiger, weil sie diese Energie brauchen. Andere hingegen klingen leichter und poppiger, weil das besser zu ihnen passt. Auf unserem aktuellen und auch auf dem letzten Album sind ja nach wie vor energetische Rock-Songs zu hören.

Verwandte Themen


Keine Kommentare