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Schwertkunst: War Albrecht Dürer ein Fechter?

11.6.2021, 12:30 Uhr
Motiv aus Dürers Fechtbuch.

© Albertina, Wien Motiv aus Dürers Fechtbuch.

Herr Hagedorn, war Albrecht Dürer selbst ein Fechter?
Das wissen wir leider nicht völlig sicher. Es gibt eine sogenannte sinnbildliche Darstellung auf den Künstlerheros Albrecht Dürer: Das ist eine allegorische Steinskulptur von Hans Daucher, die Dürer selbst als Ringer vor Kaiser Maximilian darstellt, unter dessen Patronat Dürer ja ab 1512 stand. Fest steht auch, dass Dürer sich immer wieder mit den Themenkomplexen Waffen und Rüstungen auseinandergesetzt hat, etwa indem er Vorlagen für die Ätzungen von Rüstungen anfertigte. Wir können davon ausgehen, dass er, wie damals üblich und wie alle anderen Zeitgenossen, mit Ringen und Turnieren vertraut war. Das Thema Kampfkunst war ihm sicherlich geläufig – auch wenn handfeste Beweise dafür leider fehlen.

Spricht nicht auch die Tatsache dafür, dass Dürer zu Lebzeiten Bürger in einer stark von Rüstungsindustrie und Kampfkunstkultur geprägten Reichsstadt war?
Das ist ein wenig so, als wenn in 500 Jahren Historiker zwingend davon ausgehen, dass Dierk Hagedorn selbst Fußballspieler war, weil Fußball in der Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts so eine große Rolle eingenommen hat.



Können Sie uns etwas zur Entstehung des Fechtbuches vor über 500 Jahren erzählen?
Das Buch ist eine Sammelhandschrift, das bedeutet, es besteht aus mehreren kodigologischen Einheiten, also in sich geschlossenen Einzelteilen. Dabei handelt es sich um mindestens drei solcher Einzelteile. Der berühmte davon ist lediglich der erste Teil – das ist der von Dürer bebilderte Teil, der bereits im frühen 20. Jahrhundert von Friedrich Dörnhöffer in Schwarz-Weiß publiziert wurde ...

… der sich aber wohl weniger wegen des Themas, sondern mehr wegen des großen Namens mit der Materie beschäftigte, richtig?
Genau so ist es, der Name Dürer überstrahlt alles. Die spätere Dürer-Verehrung setzte ja bereits im 19. Jahrhundert ein und erreichte auch die Turnerbewegung rund um Turnvater Jahn, die natürlich vor allem an den gezeigten rund 120 Abbildungen zu Ringtechniken Gefallen fand. Um aber zur Eingangsfrage zurückzukommen: Die beiden anderen Teile des Gesamtwerkes sind noch nie publiziert worden. Hierbei handelt es sich um reine Texthandschriften. Der erste davon ist ein wenig rätselhaft, da wir nach wie vor nicht wissen, wer der Autor ist. Der zweite Textteil – der dritte im Gesamtkontext – stammt aber eindeutig von Willibald Pirckheimer, der mit Dürer nachweislich befreundet war.

Also jener , der Berater von Kaiser Maximilian war und die reichsstädtischen Truppen im Schwabenkrieg befehligte?
Eben der. Und es kommt noch besser: Es gibt in Nürnberg in der Stadtbibliothek ein bisher kaum bemerktes, nahezu deckungsgleiches Fechtbuch. Das ist bislang in der Forschung überhaupt noch nicht erschienen – eine Fußnote im Schriftwechsel Dürers hat mich hier auf die richtige Fährte gelockt. Das bedeutet: das Dürer-Fechtbuch steht gleich in doppelter Hinsicht mit Dürer in Verbindung: Zum einen, weil der Meister – oder zumindest seine Werkstatt – die Illustrationen im ersten Teil anfertigte. Und zum anderen, weil sein Freund Willibald einen Beitrag geleistet hat.

Wann ist das Buch entstanden?
Die Handschrift ist im Laufe der Jahrhunderte mehrfach bearbeitet worden. Zwischen die Dürer-Zeichnungen wurden beispielsweise etwa irgendwann einmal leere Blätter zum Schutz eingefügt. Die Handschrift wurde in dieser Form wohl noch im 16. oder 17. Jahrhundert zusammengetragen. Auf dem Titel ist 1512 angegeben, sie dürfte jedoch etwas früher, um 1500, entstanden sein, wie die Wasserzeichenanalyse ergeben hat.

Dierk Hagedorn, Fechttrainer und Buchautor.

Dierk Hagedorn, Fechttrainer und Buchautor. © Ulrich Schaarschmidt

Sie haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe Fechtbücher im deutschsprachigen Raum bearbeitet und transkribiert. Gelingt es, den „Dürer“ in diesen Kanon einzubeziehen?
Absolut, der „Dürer“ ist kein Solitär: Im Inhalt gibt es immer wieder Bezüge zu früheren Fechtbüchern. Allerdings sind die Abbildungen in Dürerscher Finesse qualitativ eine deutliche Verbesserung gegenüber älteren Quellen. Die Textpassagen zum „Langen Messer“ weisen starke Parallelen zu den Lecküchner-Manuskripten auf, die im späten 15. Jahrhundert möglicherweise in Herzogenaurach entstanden sind. Man sieht also hieran und an zahlreichen weiteren Beispielen, dass sich auch der „Dürer“ nahtlos in das Netzwerk der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fechthandschriften einfügt.
Fragen: Sebastian Linstädt

Dierk Hagedorn: Albrecht Dürer – Das Fechtbuch, VS-Books, 328 Seiten, 38,80 Euro.

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