Seminar im Stadion: „Nazis, das sind die Glatzen, oder?“

19.12.2012, 10:00 Uhr
Seminar im Stadion: „Nazis, das sind die Glatzen, oder?“

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„Darf ein Rechtsextremer einen Döner essen?“ Mit dieser anscheinend harmlosen Frage bringt Referent Steffen Huber die 24 Schüler der Klasse 10f der Edith-Stein-Realschule Parsberg ganz schön ins Grübeln. „Ja, klar“, meint Jasmin (16). „Nein, mit Sicherheit nicht“, mutmaßen hingegen einige Klassenkameraden.

Diese Unsicherheit ist typisch, weiß Huber. Er will das Gespür der Jugendlichen schärfen. Längst werden rechtsextreme Ansichten und Gruppen nicht mehr so leicht erkannt, wie dies noch vor Jahren der Fall war.

„Klar kennt ihr bestimmte Klischees: Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel“, führt der unter einem Pseudonym arbeitende Referent aus. Seinen richtigen Namen möchte er nicht Preis geben, zu oft habe er schon Drohungen aus der rechten Szene erhalten. „Wer heute eine rechtsextreme Veranstaltung beobachtet, findet dort auch langhaarige Nazis, die noch vor einigen Jahren nie in dieser Gruppe aufgenommen worden wären.“

Doch rechtsextreme Gruppierungen leihen sich immer mehr von anderen Subkulturen. Sie übernehmen zum Beispiel den besonderen Kleidungsstil, die Vorliebe für bestimmte Musik oder manche Verhaltensweisen oder andere Ansichten. Und sie locken so Jugendliche an – sei es mit rechtem Rock oder speziellen Ausprägungen des HipHop.

Zum Nachdenken anregen

Seminar im Stadion: „Nazis, das sind die Glatzen, oder?“

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„Für die Schüler ist es wichtig, rechtsextremes Gedankengut frühzeitig zu erkennen“, sagt Lehrer Ingo Feiner. Der war bereits mit einer Klasse bei einem von Hubers Vorträgen. „Der hat viele meiner Schüler zum Nachdenken angeregt.“

Deshalb hat er den kostenfreien Vortrag im Nürnberger Stadion seiner Kollegin Marion Müßig weiterempfohlen. Schließlich sei es ein fantastisches Angebot, „den Schülern wird ein seltener Einblick gewährt“. Auch den Jugendlichen aus Parsberg gefällt die Unterrichtseinheit, sie ist „mal was anderes, und nicht das tägliche Schul-Einerlei“.

Organisatorin Nicola Nemeth vom Seminar-Veranstalter Fanprojekt Nürnberg ist begeistert von der hohen Nachfrage. „Wir sind bereits bis Ende Januar 2013 ausgebucht – von überall her kommen Anfragen“, sagt die Sozialpädagogin stolz.

Was macht den großen Reiz des Kopfball-Lernzentrums aus? „Neben den kostenlosen Vorträgen erhalten die Schüler einen ganz besonderen Einblick in die Stadionlandschaft“, erklärt Nemeth. Denn als Klassenzimmer dient neben dem sonst Pressekonferenzen vorbehaltenen Raum auch die Kabine der Profikicker des 1. FCN — und sogar eine Stadionführung ist inklusive. Torhüter Raphael Schäfer ist übrigens Schirmherr der Aktion.

Projekt-Vorbild England

Neu ist die Idee hinter dem Kopfball-Lernzentrum aber nicht: In England werden Fußballstadien bereits seit einigen Jahren als sogenannte „Study Support Center“ genutzt. Die Robert-Bosch-Stiftung griff die Idee 2010 in insgesamt elf deutschen Städten auf, und heuer erstmals auch im „Glubb“-Stadion.

Huber hält den Vortrag in diesem Jahr bereits zum dritten Mal. Und wieder schlägt er seine Zuhörer in den Bann. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele Menschen gibt, die mit Rassismus Geld machen“, wundert sich Lilly. Die 16-Jährige habe zwar schon von Marken wie Thor Steinar gehört, „die oft von Neonazis getragen werden“. Trotzdem ist sie verblüfft, wie viele Produkte mit rassistischen Sprüchen es gibt.

Steffen Huber erklärt unter anderem, wie es zur Marke Consdaple kam: „Ihr kennt sicher alle Lonsdale-Pullover. Zieht ihr über ein Kleidungsstück mit diesem Logo eine Jacke an und schließt diese teilweise, so sieht man nur noch die Buchstaben N, S, D und A.“ Bei der Marke Consdaple wird daraus NSDAP – die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, der Adolf Hitler angehörte. „Rechtsradikale nutzen jede Möglichkeit, um ihrer Gesinnung Ausdruck zu verleihen“, weiß der Referent.

Den Schülern liefert er Ansätze zur Prävention und Hilfe. Denn hat es einen Freund in die rechte Szene verschlagen, so benötigt er Unterstützung. „Das Schlimmste ist, wenn diese Menschen allein gelassen werden. Dann finden sie nur sehr schwer einen Weg zurück.“

Weitere Infos rund um die Kopfball-Lerneinheiten und die Anmeldeformulare zum Download gibt es online auf www.fanprojekt-nuernberg.de

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