Soul mit künstlichen Aromastoffen

15.1.2020, 17:18 Uhr
Soul mit künstlichen Aromastoffen

© Foto: COFO-Entertainment/PR

Seitdem unsere Pop-Helden in die Jahre kommen, nicht mehr auf Tour gehen oder gar das Zeitliche gesegnet haben, hat eine neue Geschäftsidee Konjunktur: Personality Shows, die sich dem Leben und Werk der Originale mehr oder weniger nähern.

Derzeit kann man sich vor Angeboten kaum retten: Auf Tour ist "Falco – Das Musical", das Beatles-Musical "All You Need is Love", "Elvis - Das Musical", "Die Udo Jürgens Story", die Sinatra-Show "That’s Life", "One Vision of Queen" und die Michael-Jackson-Revue "Beat It!". Das Rezept ist fast immer das gleiche, die Liste ließe sich fortsetzen.

Zum Beispiel mit der Tina-Turner-Story "Simply The Best", die jetzt in der (trotz saftiger Eintrittspreise) fast ausverkauften Nürnberger Meistersingerhalle gastierte. Die Voraussetzungen sind eigentlich optimal: Das Leben der Tina Turner bietet reichlich Stoff für mehr als ein Drama, als Sängerin zählt sie zu den Soul-Größen des 20. Jahrhunderts und ihre Musik gehört zum Weltkulturerbe.

Es sind große Fußstapfen, in die die amerikanische Sängerin Dorothea "Coco" Fletcher in der Titelrolle tritt: Sie sieht Tina Turner nicht nur verblüffend ähnlich, sondern hat auch eine ähnlich mächtige Soul-Stimme. Im fliegenden Kostümwechsel macht Fletcher ihre Sache richtig gut, von den Anfängen mit Ike Turner bis zu ihrem späten Comeback mit "Private Dancer". Im Laufe des Abends zeigt sich aber auch, dass sie nur eine Rolle spielt, das Entscheidende fehlt ihr: Charisma, Bühnenausstrahlung, Sex-Appeal. Das gilt im Übrigen auch für die drei Background-Sängerinnen.

So oder so kann das TT-Double die Show nicht retten, dazu ist die so genannte Rahmenhandlung allzu dürftig. Da wäre ein reines Tribute-Konzert besser gewesen. Das Bühnenbild besteht aus einer Showtreppe, die auch zu einem Reihenhaus in Ziegelstein führen könnte. Auf einem Bildschirm laufen historische Konzertaufnahmen von Tina Turner, Live-Aufnahmen aus dem Konzert und nachgestellte Interviews mit Dorothea Fletcher im bunten Durcheinander.

Ein peinlicher Erzähler/Moderator versucht vergeblich einen roten Faden in die Nummernrevue zu bringen. Es ist schon fast eine Kunst, Tina Turners Lebensgeschichte so oberflächlich, ohne dramatische Höhepunkte zu erzählen. Dazu spielt eine Fünf-Mann-Band seelenlosen Soul mit künstlichen Aromastoffen. Diese Show hat eine berauschende Wirkung wie alkoholfreies Bier. What´s soul got to do with it?

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