Echt fränkisch, echt gut

"Sunnablumma", die neuen Gedichte von Fitzgerald Kusz

26.8.2021, 17:12 Uhr
Der Dichter liest: Fitzgerald Kusz vor kurzem beim Festival "WortWärts" im KuNo.

© Heike Hahn/WortWärts, NNZ Der Dichter liest: Fitzgerald Kusz vor kurzem beim Festival "WortWärts" im KuNo.

Dialekt im Lockdown, geht das? Versteht man da überhaupt noch was, hinter der Maske? Erkennt man noch die letzten, in Dunst und Speichel und Erschöpfung aufgelösten Konsonanten der untröstlich grummelnden Einheimischen?

Natürlich – oder eben „freili“ – muss ein dichtender Zeitzeuge und Chronist, und als solcher versteht sich Fitzgerald Kusz, auch auf Dinge wie Corona reagieren. Und widmet der anhaltenden Zeit der Pandemie in seinem neuen Lyrikband sogar ein ganzes Kapitel.

Große Fragen

Es zeigt – wie der Rest des Buches –, dass Kusz, Jahrgang 1944, sich immer noch bestens auf seine Kunst versteht: große Fragen ganz klein und verschmitzt zu stellen, im täglich vertrauten Detail den Blick zu weiten und sich – vielleicht das Wichtigste – die gewisse Grundgelassenheit, ja -heiterkeit seiner in und um Nürnberg fest geerdeten Weltschau nicht nehmen zu lassen.

„Sunnablumma“ heißt der hellblau-gelbe Band ganz sommerlich. Und Kusz ist ja weiß Gott kein Verweigerer regionaler Gemütlichkeit wie etwa sein Kollege Gerhard Falkner – der, wenn schon auf Fränkisch, betont „Kanne Blumma“ wollte, wie sein Kunst-Dialekt-Gedichtband hieß.

Immer schön entspannt: Frankens Heimatautor Kusz.

Immer schön entspannt: Frankens Heimatautor Kusz. © Jonas Kusz, NNZ

Die Kunst, sie leidet unter dem Virus und seinen Verheerungen allemal, und der alte Theaterliebhaber und -autor Kusz dazu („es deoodä is leer/ di bühne dunkl“). Die Isolation zwingt uns in die eigenen Wände und Wohnungen, wo nur der hilflose Ausblick nach draußen bleibt („miä schdennä am fensdä/und schauä naus“) – und immerhin die Hoffnung auf baldige Öffnung. Beim Osterspaziergang: nichts als Bäume im leeren Wald. Wo sind die anderen Wanderer?

Voller Schwalben

Und doch sieht Kusz mehr. Ist es nicht wunderbar, wenn auf einmal keine Flugzeuge fliegen, dafür wieder die Vögel über Thuisbronn? „ä himml vullä schwallm/ä himml ohne kondenzschdreifm/ meä kammä goä ned välangä“. Vielleicht ist Kusz so etwas wie ein fränkischer Buddha – ein ZEN-Beobachter, der zuschaut, entspannt und nachdenkt, und sei es bei Bratwurst und Bier.

Es geht einfach ums Weitermachen und Weiterleben, die Natur lebt es ja vor, und sei es mit einem stoischen Nest von Schneeglöckchen. „schnäiglögglä/ im schneegschdöbä/ edz haßds durchhaldn“ dichtet und deutet Fitzgerald Kusz in einer seiner klugen Anverwandlungen des japanischen Haikus: hochkonzentriert und hochkomisch zugleich.

Auf den Apfelbaum

Eine richtige Ode – zumindest für fränkische Verhältnisse – bekommt gar ein alter Apfelbaum in fast 20 Zeilen gewidmet. Weil „deä alde abflbaam“ so lange und so selbstlos mit dem Blühen wartet, „bis ba di andern/ widdä allers vorbei is“. Dann aber ist endlich auch er an der Reihe, überschlägt sich fast mit seinen vielen Blüten, eine Explosion in Weiß. Wäre er ein Gemälde, dann von van Gogh: elementar schlicht und ergreifend.

Umso fremder schauen die liebevoll bezeichneten Sachen dann aber schon vom Schriftbild her zurück – das gehört zum Vergnügen der Lektüre. Man muss ja schon als Franke zwei Mal hinsehen, um den exotischen „ouernhällärä“ als stinknormalen „Ohrenhöhler“ von nebenan zu identifizieren. In dieser Form könnte das Wort auch aus dem Finnischen kommen... Und sorgt, wenn man Nicht-Franken bittet, es doch laut zu lesen, für großes Gelächter auf allen Seiten. Versprochen!

Das innere Kind

Vielleicht sollte man Kusz – wie alle Dichtung – ohnehin laut lesen. Selbst wenn er, nicht ohne Ironie, an seinen umwerfenden Bühnenerfolg „Schweig Bub“ erinnert, bleibt er in seinem Selbstbild doch stets angenehm leise und unaufdringlich: „in miä drin is a bou/ deä gibd ka rouh/ deä will naus/ iich lounern raus“, heißt es da. „obbä zum gligg/ kummdä immä widdä/ zumiä zurigg“.

In jedem Kerl ein Kind? Das hält vielleicht kreativ. Oder meint er da – Schelm, der er ist – die immer noch fließenden Theater-Tantiemen? Sie seien ihm gegönnt.

Wenn es in Franken keinen Kusz nicht gäbe, man müsste ihn erfinden.

Fitzgerald Kusz: Sunnablumma. Gedichte. ars vivendi, 128 Seiten, 15 Euro.

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