Tristan „janz weit draußen“

23.10.2012, 00:00 Uhr
Tristan „janz weit draußen“

© Ludwig Olah

Es gibt viele gute Gründe, an diesem Sonntagnachmittag in Berlin nicht ins Kino zu gehen: Draußen herrscht Bilderbuch-Altweibersommer mit vollen Café-Terrassen. In der Deutschen Oper läuft ebenfalls eine Wagner-Premiere, „Parsifal“ in Starbesetzung. Zudem sind die beiden Kinos, in denen die „Tristan und Isolde“-Übertragung läuft, jotwede – janz weit draußen.

Dennoch hat es 14 Gäste in das UCI Eastgate verschlagen am Rande Marzahns, ein Plattenbauviertel im Osten Berlins. Knapp 15 Kilometer sind’s von dort bis zur Stadtmitte – ins Alternativkino im Süden Neuköllns wäre man noch länger unterwegs. Sie wundern sich, dass sie so weit an den Stadtrand raus müssen: „Am Potsdamer Platz gibt’s doch zwei taugliche Multiplexe“, sagt ein älterer Herr. Die Besucher sind alle um die 60 und darüber; ein junges Paar verschwindet in der ersten Pause. Der Rest hält durch – und ist angetan von dem, was da über die Leinwand flimmert.

Der Botschaft von Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner, die bereits nach dem ersten Akt von einer „großartigen Inszenierung“ spricht, setzen die Experten hier – die meisten sind weit gereiste Opernfans – ein „Erinnert aber stark an Wieland Wagner“ entgegen. Und, nun ja, Vincent Wolfsteiner klinge schon arg forciert. Aber mit Lioba Braun sind alle sehr einverstanden, und gegen die sich auf psychologische Figurenführung konzentrierende Regie hat auch niemand etwas einzuwenden.

Sekt aus dem Plastikkelch

Applaus gibt es keinen, was vielleicht doch etwas albern wäre in diesem großen Saal mit 226 Plätzen. Dafür kann man die kleinen Flaschen Mumm-Sekt, die eingangs an jeden Besucher zusammen mit einem Plastikkelch verteilt wurden, bequem in den Becherhalter neben sich stellen.

Anfangs gibt es Tonprobleme, dann sieht man 20 Minuten lang nur das sich einstimmende Orchester und das sich füllende Haus (inklusive bekannter Gesichter); in den Pausen führt Jo Hiller mit fleißig gesammelten Daten durchs Haus und führt Interviews wie nach einem Fußballspiel. Geschmackssache.

Wie auch manche Großaufnahme, die Falten zeigt, Schweiß, Übungen zum Feuchthalten der Kehle. Immerhin überträgt sich die Kraft, die sich bei Isoldes Liebestod entfaltet, und auch die Klangmischung geht so in Ordnung. Das Dutzend Berliner Besucher jedenfalls war zufrieden.
 

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