TV-Phänomen: Darum ist "Game of Thrones" so populär

11.4.2019, 19:30 Uhr
In der Finalstaffel von "Game of Thrones" müssen sich Jon Schnee und Daenerys Targaryen gemeinsam der Bedrohung der "Weißen Wanderer" erwehren. Diese Handlung entpuppt sich als politischer Kommentar.

© HBO In der Finalstaffel von "Game of Thrones" müssen sich Jon Schnee und Daenerys Targaryen gemeinsam der Bedrohung der "Weißen Wanderer" erwehren. Diese Handlung entpuppt sich als politischer Kommentar.

Der Winter ist hier. Und damit das baldige Ende eines der größten TV-Phänomene aller Zeiten. Mit der am 14. April in den USA startenden achten Staffel der Fantasy-Serie "Game of Thrones" endet das populärste Fernsehformat des neuen Jahrtausends. Das Vermächtnis, das die letzten sechs Folgen in Spielfilmlänge hinterlassen, lässt sich dabei längst nicht mehr in Zuschauerzahlen messen. Neben den erwarteten 30 Millionen Zuschauern, die alleine in den USA jede Episode der Finalstaffel verfolgen werden, hinterließ die Serienadaption der Fantasy-Romanvorlagen von George R. R. Martin auch auf die Popkultur einen unvergleichlichen Eindruck. 

Fantasy-Trend dank "Game of Thrones"

Klar ist: "Game of Thrones" bedient den Zeitgeist in der Unterhaltungsindustrie wie kein zweites Format derzeit. Allerdings war die Serie des Premium-Kabelsenders HBO überhaupt erst Initiator dieses Zeitgeistes. Fantasy-Stoffe scheinen das nächste große Ding in der Serienwelt zu sein. Etliche Anbieter rüsten sich nun schon seit einiger Zeit dafür, die Lücke zu füllen, die "Game of Thrones" hinterlassen wird. Amazon produziert mit einer weiteren Adaption der J. R. R. Tolkien-Buchreihe "Der Herr der Ringe" derzeit die teuerste Serie aller Zeiten. Netflix sicherte sich derweil die Rechte an C. S. Lewis' "Die Chroniken von Narnia" und will daraus ein Franchise aufbauen. Zuvor hatten die Kinderbücher mit religiösem Einschlag bereits eine Kino-Trilogie nach sich gezogen. HBO selbst hat vor einiger Zeit selbst vier Ableger-Serien in Auftrag gegeben.

Der Fantasy-Hype folgt den vorhersehbaren Mechanismen der Unterhaltungsindustrie, in der Senderverantwortliche und Produktionsfirmen auf Mega-Erfolge wie "Game of Thrones" reagieren, um die Charakteristika des Hit-Formats für sich und neue Formate nutzbar zu machen. Während in den vergangenen zehn Jahren vor allem Science-Fiction-Stoffe Hochkonjunktur hatten, stürzt sich die US-Traumfabrik nun also auf fantastische Erzählungen. Beobachter könnten dagegen halten, dass das Fantasy-Genre über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder in irgendeiner Form bedient wurde, doch die neue Generation dieser Serienproduktionen lehnt sich an die Eigenschaften an, die "Game of Thrones" im Dschungel der immer weiter wachsenden Serienwelt zu einem der Formate werden ließ, das wirklich noch Lagerfeuer-Fernsehen im modernen Sinne darstellt und rege Nachbesprechungen in aller Welt nach sich zieht.

Gewalt und Sex statt Feen und Elfen

Es ist der harte Realismus, der "Game of Thrones" insbesondere im Schwerter-und-Sandalen-Genre herausstechen lässt, das sich in der Vergangenheit zu sehr auf Kitsch und Magie verließ. "Game of Thrones" verortete seine Welt nach Vorlage der George R. R. Martin-Bücher in einer Art verzerrtem Spiegelbild eines mittelalterlichen Europas. Dabei garnierten die Serien-Erfinder David Benioff und D. B. Weiss diese düstere Welt mit erzählerisch einnehmenden Thriller-Elementen, viel Gewalt und nackter Haut. 

Doch es waren nicht nur Blut und Brüste, die diese Serie zum Social-Media-Phänomen werden ließen. Die Grauenhaftigkeit und gleichzeit rohe Schönheit der Serie, die sich in ihrem geschickt konstruierten Universum von spröden Wüsten bis hin zu vereisten Schneelandschaften erstreckt, stellt eine Rückkehr zu einem Eskapismus alter Schule dar. Im Vergleich zu den üblichen Mittelalter-Streifen, die häufig auf historischen Begebenheiten basieren, muss sich "Game of Thrones" dabei nicht gegenüber historischen Fakten verantworten, sondern kann sich all die Freiheiten gönnen, die dem Fantasy-Genre eigen sind. 

Freilich, es gibt Drachen, dunkle Magie, Riesen und Untote in "Game of Thrones". Diese hat George R. R. Martin jedoch nur als Vehikel genutzt. Denn statt sich in all den fantastischen Möglichkeiten zu verlieren, stellt "Game of Thrones" stattdessen eine sehr ursprüngliche Erzählung dar, die eine übernatürliche Welt auf grundlegende menschliche Instinkte herunterkocht. Auf rohe Gewalt und das Recht des Stärkeren, wo heute Recht und Gesetz sind. Auf unbändige Fleischeslust, wo heute grundlegende zivilisatorische Tugenden stehen. Und auf Themen wie Familie, Rache, Liebe, Treue und Ehre. Es ist faszinierend zu sehen, dass ein Weltpublikum derlei uralten Themen trotz Jahrhunderten gesellschaftlicher Entwicklung noch so viel abgewinnen kann. Es steckt wohl in der menschlichen DNA.

In "Game of Thrones" steht immer Alles auf dem Spiel

Königin Cersei Lannister fasst es schon in Staffel eins treffend zusammen: "Wenn du das Spiel der Throne spielst, gewinnst du oder du stirbst." Dieses Zitat entlarvt das ganze Format als ein einziges Ränkespiel seiner Protagonisten, bei dem zu jeder Zeit alles auf dem Spiel steht. Das machte die Serie schon in ihrer ersten Staffel mehr als deutlich, als der von Sean Bean gespielte Ned Stark überraschend der Axt zum Opfer fiel, obwohl alle Zuschauer ihn für die Hauptfigur dieser Geschichte gehalten hatten. Die Charaktere handeln also auch so rücksichtslos und triebgesteuert, weil in dieser unbarmherzigen Welt im nächsten Moment schon alles vorbei sein kann. Eine derartige Kompromisslosigkeit traut sich sonst eigentlich kein anderes Format, nachdem es die Figuren so behutsam aufgebaut hatte. Denn eigentlich widerspricht das unwiderrufliche Töten beliebter Charaktere ja den Regeln Unterhaltung aller Art.

Trotzdem blieb sich die Serie dieser Vorgehensweise treu und seitdem ließen so einige Wendungen die Zuschauer sprachlos zurück. Das lohnte sich, denn es sind die menschlichen Intrigen und der unbedingte Machtwille der Figuren, die die Wurzel des Stoffs ausmachen. Charaktere sind dabei entbehrlich. Urheber George R. R. Martin ist ein Meister darin, einen Stoff zu spinnen, dessen Fäden einem Wirr-Warr an miteinander verbundenen Einzelsträngen zusammenlaufen, um den Leser bzw. Zuschauer später umso kälter zu erwischen. Genau solche Geschichten braucht es heutzutage scheinbar, um als Serie in der Öffentlichkeit überhaupt noch groß herauszukommen und nicht in der Masse zu verschwinden.

Rache und Triumph als menschliche Motive

In der fiktiven Welt von Westeros gibt es keinen Zustand außer das gesetzlose Gegenspiel gewalttätiger Mächte. Das politische Symbol des Eisernen Throns könnte dabei nicht passender gewählt sein. Der aus Schwertern zusammengeschmiedete Stuhl sieht höllisch unbequem aus und die Serie zeigte, dass bisher niemand in der Hauptstadt Königsmund auch nur eine Minute auf diesem Metall-Monstrum entspannen konnte. Trotzdem können Zuschauer auf eine Art die Rache- und Triumphfantasien der Figuren verstehen, die wohl in jedem Menschen schlummern. 

Es sind aber nicht nur die Inhalte, die "Game of Thrones" so richtig groß werden ließen. Die Produktion kennzeichnete von Beginn an ein ungemein kühnes Unterfangen - allein von der schieren Dimension des Formats. Vier Jahre befand sich die erste "Game of Thrones"-Staffel einst in Produktion, wobei 90 Prozent der sündhaft teuren Pilotfolge nach Neubesetzungen neu gedreht werden mussten. Die verbleibenden sechs neuen Folgen haben nun jeweils mehr als zehn Millionen Euro gekostet.

TV-Hit endet mit politischem Kommentar

Dieses viele Geld nutzen die Serienmacher nun, um bei all den zwischenmenschlichen Abarten des Formats und der Behandlung uralter Motive nun doch einmal einen Kommentar auf den Zustand unserer modernen Welt zu treffen. In Staffel acht rückt der Kampf um die Herrschaft im Lande in den Hintergrund. Stattdessen sieht sich die Menschheit von einer Horde Eiszombies bedroht, die obendrein jeden verwandelt, den sie mit in den Tod reißt.

Einst wurden diese Untoten in der Buchvorlage von mythischen Naturwesen geschaffen, um die Menschheit zurückzudrängen, die ihren Lebensraum zerstört. Letztlich wird "Game of Thrones" nun also zum klimapolitischen Kommentar auf unsere Gegenwart und zum Appell an Machthaber aller Welt, die Profilierung von sich selbst und ihrer Nation in der Weltpolitik hintanzustellen, um zusammenzuarbeiten. "Der Winter kommt", einer der Leitsprüche des Formats von Anfang an, wird letztendlich zum Slogan gegen den Klimawandel. Auch in "Game of Thrones" müssen sich nun alle verfeindeten Adelsgeschlechter gemeinsam dieser Naturbedrohung stellen.

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