"Oh mein Gott, was ist das?"

Ufo-Hype in den USA: Pentagon-Bericht wirft Fragen auf

24.7.2021, 17:43 Uhr
Im April 2020 filmten Navy-Piloten dieses Flugobjekt. Die Szene wurde der Presse zugespielt – niemand weiß, was genau darauf zu sehen ist.  

© AFP Im April 2020 filmten Navy-Piloten dieses Flugobjekt. Die Szene wurde der Presse zugespielt – niemand weiß, was genau darauf zu sehen ist.  

Die New York Times, CNN, NPR und viele andere Medien, denen das Etikett "seriös" anhaftet, haben es in den letzten Monaten getan: Sie berichteten über Ufos, die das amerikanische Verteidigungsministerium ganz offiziell UAPs für "unidentified aerial phenomenas”, also undefinierbare Flugobjekte, nennt. Es ging in diesen Artikeln folglich nicht um einen weiteren Hollywood-Blockbuster wie "Independence Day".

Bekannt wurde vielmehr, dass das Pentagon seit über einem Jahrzehnt eine geheime Arbeitsgruppe unterhält, die sich mit diesen fliegenden Phänomenen auseinandersetzt. Diese wurden von Piloten der amerikanischen Navy und der Air Force beobachtet und zum Teil auf Video aufgezeichnet. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Pentagon sollte Klarheit schaffen, stattdessen warf er weitere Fragen auf. Die Bilder aus den Cockpits der US-Militär-Jets zeigten Sonderbares: Objekte, die mit unbekannter Geschwindigkeit über den Himmel rasten, die ihre Richtung und die Form im Flug veränderten. Dazu die erstaunten Kommentare der erfahrenen Kampfpiloten: "Oh mein Gott, was ist das?"

2017 tauchten die ersten Videos und Augenzeugenberichte von Navy-Piloten zu Dingen auf, die am amerikanischen Himmel zu sehen waren, die aber nicht eingeordnet werden konnten. Wer steckte dahinter? Die Chinesen, die Russen oder doch Außerirdische? Was am Anfang nur auf Videoplattformen und in den sozialen Medien geteilt wurde, erreichte schließlich auch Washington.

Der Druck auf das Pentagon wuchs, auch aus dem Kongress. Senatoren wie Marco Rubio wollten Antworten darauf haben, was da durch die Gegend fliegt. In einem Interview mit dem Nachrichtensender FoxNews erklärte er: "Wir haben da Sachen, die über Militärgebieten, über Manövern und auch woanders fliegen, und wir wissen nicht, was es ist. Es ist nicht von uns, die Flugaufsicht weiß davon nichts, und es scheint eine bislang unbekannte Technologie zu sein. Ich glaube, wir müssen wissen, was das ist oder zumindest versuchen, es herauszubekommen."

Die Spekulationen werden wieder angeheizt, Ufo-Religiöse bekommen Auftrieb. Für Shurlene Wallace etwa ist die Sache klar. Sie war angeblich schon oft auf dem Mars und hat darüber sogar ein Buch geschrieben "From the Motherland to the Mothership" – vom Mutterland zum Mutterschiff. "Ich wurde schon mehrmals mit ganz unterschiedlichen Raumschiffen abgeholt. Langen und runden, ganz verschiedenen, mit denen es durch die Galaxie ging. Seit kurzem sind es aber vor allem Astralreisen, wo mein Geist aus dem Körper gezogen wird und Raum und Zeit überkommt." Wallace ist überzeugt, dass das, was da am amerikanischen Himmel seine Bahnen zieht, freundliche Besucher anderer Planeten und Galaxien sind.

Wir sind nicht die einzigen im Weltall

Auf den Mars hat Bill Nelson natürlich noch nie einen Fuß gesetzt. Und er glaubt auch nicht, dass dort bereits Menschen waren. Im All aber war Nelson schon. 1986 flog er mit dem Space-Shuttle Columbia in den Weltraum. Heute leitet der frühere Astronaut und Senator die Weltraumbehörde NASA. Auch für ihn ist klar, dass wir nicht die einzigen im riesigen Weltraum sind: "Seitdem die Videos der Navypiloten veröffentlicht wurden, wollen die Leute wissen, was los ist. Sind wir alleine? Ich persönlich glaube das nicht."

Der NASA-Chef hat den nun veröffentlichten Bericht des Pentagon in voller Länge gelesen, auch den Teil, der für die Öffentlichkeit geschwärzt wurde: "Es wird in dem Report genau gesagt, was wir uns schon vorher dachten. Wir können nicht erklären, was die Navy-Piloten gesehen haben. Aber sie wissen, dass sie etwas gesehen haben. Sie haben es verfolgt und es auf dem Radar gesehen. Es bewegte sich plötzlich von einem Punkt zum anderen. Was uns der öffentliche Bericht sagt: Es hat 140 dieser Sichtungen gegeben. Was ich nun von unseren Wissenschaftlern wissen will, ist, ob sie eine wissenschaftliche Erklärung dafür haben."

Der Journalist George Knapp beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Ufos und UAPs. Knapp ist regelmäßig zu diesem Thema in der wohl einschlägigsten Nachtsendung "Coast to Coast AM" zu hören, die auf Hunderten von Radiostationen in den USA und im Netz auch weltweit ausgestrahlt wird. Für ihn steht fest, dass der Bericht mehr Fragen als Antworten aufwirft. Was dieser Report ihm zufolge aufzeigt: "Ufos und UAPs sind reale physische Objekte, die nicht von uns sind." Aber dies lasse viele Möglichkeiten offen, so zum Beispiel, ob es eine ausländische Technologie sei. Das Pentagon lege dafür aber keine Belege vor. Genauso wenig wird klar, ob es sich vielleicht doch um eine geheime amerikanische Technologie handele. Man werde, so steht es in dem Bericht, diesen Fragen nachgehen.

144 Sichtungen

Klar ist, dass 144 Sichtungen zwischen 2004 und 2021 ausgewertet wurden. "Davon sind 143 weiterhin unbekannt", fasst es George Knapp zusammen. "80 wurden mit verschiedenen Messgeräten aufgezeichnet. Das heißt, es waren keine Wolken, keine Vögel, es sind physische Objekte. Einige davon haben sich wie eine Technologie verhalten, die wir bislang nicht kennen."

Ufo-Gläubige warfen oft einen Hut oder Lampenschirm in die Luft, um auf Fotos ihre Theorie zu beweisen.  

Ufo-Gläubige warfen oft einen Hut oder Lampenschirm in die Luft, um auf Fotos ihre Theorie zu beweisen.   © imago images/United Archives International, NNZ

Die amerikanische Regierung sorgt mit dem kürzlich veröffentlichten Bericht des Pentagon also nicht für Klarheit. Das hat Tradition, denn über Jahrzehnte wurde sogar abgestritten, dass es die sagenumwobene Area 51 in der Wüste von Nevada überhaupt gibt. Bereits 1955 hatte die US Air Force das riesige Gelände nordöstlich von Las Vegas erworben, doch erst 2013 bestätigte die CIA zum ersten Mal überhaupt, dass das streng geheime Militärsperrgebiet existiert.

Einer, der sich mit unbekannten Flugobjekten besonders gut auskennt, ist Jörg Arnu. Der Deutsch-Amerikaner lebt in Rachel, der nächstgelegenen Ansiedlung zur Area-51. Der "Extraterrestrial Highway" zieht sich hier wie ein Strich von Süden nach Norden entlang der geheimen Basis. Seit Ende der 1990er Jahre kommt Arnu regelmäßig hierher, vor ein paar Jahren zog er ganz nach Rachel. Er ist fasziniert von Militärtechnologie und sammelt alle Informationen, die er über das, was in der Area 51 passiert, finden kann.

Tests neuer Technologien?

Arnu hat auch schon selbst Satellitenbilder von der Basis in Auftrag gegeben, die er wie alles andere auf seiner Webseite veröffentlicht. Ufos habe er schon viele gesehen, sagt er, aber eben ganz irdischen Ursprungs: "Man muss wissen, dass in der Area 51 auch Technologie getestet und entwickelt wird, die dem voraus ist, was wir heute als Militärtechnologie kennen. Man sieht also Dinge oder Fluggeräte manövrieren, wie wir uns das gar nicht vorstellen können."

Die Straße entlang der Forschungsbasis Area 41 hat längst ihren Spitznamen.  

Die Straße entlang der Forschungsbasis Area 41 hat längst ihren Spitznamen.   © imago images/ZUMA

2005 etwa setzte das US-Militär erstmals in einem Kampf-Jet eine spezielle Steuertechnik ein – beim "Vector Thrust" steuert die Ausrichtung des Triebwerksstrahls das Flugzeug – es wird somit extrem wendig. "Die F-22, der Fighter Jet, kann seine Triebwerke in entsprechende Richtungen verdrehen, sodass er viel engere Flugmanöver steuert. Als wir das vor Jahren gesehen haben und die Öffentlichkeit noch gar nicht wusste, was ‚Vector Thrust‘ ist, hat man natürlich gesagt, das kann kein normales Flugzeug sein, so eng wie das manövriert. Jetzt wissen wir: Das war eine F-22 oder ein anderer Flieger mit dieser Technik."

Was auch immer die Navy-Piloten da oben gesehen haben, der Bericht des Pentagon gibt darauf keine klaren Antworten, wahrscheinlich ganz bewusst. Es wird weiter gerätselt, ob es die Russen, die Chinesen oder doch Außerirdische sind, die am US-Himmel herumfliegen. Oder sind es nur neue, noch streng geheime Fluggeräte des amerikanischen Militärs? "The truth is out there”, heißt es. Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.

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