Tatort Eisdiele

Wie süße Eis-Monster zum Fotomotiv wurden

12.1.2022, 11:14 Uhr

© Starfruit Verlag

Eine einfache Eiswaffel auf dem Buchcover streckt sich dem Leser entgegen, zwei hilflose, pinke Smarties in einem Pinocchio-Eisbecher starren ihn an. Darüber thront ein zuckersüßer Waffelhut. Die Eisfigur hat wenig mit dem hölzernen Buben gemein, dem sie ihren Namen verdankt.

Wenn dein Eis dich anschaut: das bei kleinen Essern beliebte "Pinocchio-Eis", das mit Waffelnase an den verlogenen kleinen Kinderbuchhelden aus Italien erinnert.

Wenn dein Eis dich anschaut: das bei kleinen Essern beliebte "Pinocchio-Eis", das mit Waffelnase an den verlogenen kleinen Kinderbuchhelden aus Italien erinnert. © Starfruit Verlag

Das dachte sich auch Christian Metzler, als er eines Tages in Duisburg einen Pinocchio-Eisbecher bestellte und eine schreckliche Figur vorgesetzt bekam. "Ich wollte wissen, ob dieses Verbrechen bundesweit begangen wird", erzählt er. Im Netz fand er kein Buch darüber. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Autor Leonhard Hieronymi, fasste Metzler, Fotograf und eigentlich Analyst in der Autobranche, den Entschluss, quer durch Deutschland zu reisen, viele, viele Eisdielen zu besuchen und viele, viele Pinocchio-Eis zu bestellen.

Die Idee für ihr Buch "Mostro – Pinocchio-Eis in Deutschland" war geboren und das sollte Ende 2021 im renommierten Fürther Starfruit-Verlag erscheinen. "Von wollen kann keine Rede sein", erklärt Autor Leonhard Hieronymi rückblickend. "Eher von dem Dienst am Menschen." "Mostro" ist übrigens italienisch und heißt zu Deutsch "Monster".

Die beiden planten die Route, suchten nach Übernachtungsmöglichkeiten und Eisdielen. Bekannte reagierten auf ihr Vorhaben zunächst ungläubig – doch das spornte die Freunde aus Kindertagen noch mehr an. Es ging also los: Sie tingelten von Oberursel bis Münster, von Bremen nach Nürnberg, machten einen Zwischenstopp bei ihrem Verleger in Fürth.

Wie süße Eis-Monster zum Fotomotiv wurden

© Foto: privat

Innerhalb von neun Tagen verschlangen sie 91 Pinocchio-Becher in 125 Dielen und legten dafür 2528 Kilometer zurück. Das Ziel: ein Buch über Pinocchio-Eis. Das Ergebnis: auch ein neues Verhältnis zu dem Speiseeis. "Wir hatten irgendwann mehr Ekel vor uns selbst, als vor dem Eis", sagt Metzler. Denn: Es war hart, täglich das zuckersüße Zeug hinunterzubringen. Und doch aßen sie weiter. Immer das Ziel vor Augen, so viel Eis wie möglich zu essen.

Dabei kristallisierte sich immer mehr ein Kontrast heraus – zwischen dem Luxusgut "Eis" und der Aufgabe, es zu essen. "Eis essen sollte eigentlich Vergnügen bereiten. Doch die Routine während der Tour, also Eis essen, fahren, schlafen, Eis essen, fahren, schlafen, wurde anstrengend", erzählen die Autoren.

Und dann kam das Bewusstsein, dass diese quälende Routine andere Menschen täglich plagt: Aufstehen, arbeiten, schlafen – und das ihr ganzes Leben lang. Sie hatten es besser: "Wir wussten, nach neun Tagen ist das Ganze vorbei."

 Fotograf Christian Metzler

 Fotograf Christian Metzler © Verlag, NNZ

Ein anderes Motiv hob das Projekt ebenso auf die Metaebene: die Lüge. "Viele dachten, wir lügen, wenn wir von unserer Tour erzählten." Dabei ist alles wahr. Und die Autoren setzten dem noch die Krone auf: Auf ihrer Kappe war in großen Buchstaben "lies" zu lesen. Damit spielten sie auf Hieronymis letztes Buch, den Roman "In zwangsloser Gesellschaft", an.

Doch bei der Deutschlandtour lieferten sie die Beweise: mit Fotos eines jeden einzelnen Eisbechers. Diese Bilder begrüßen den Leser des Buches noch vor dem Reisebericht. Dahinter steckt die Absicht, dass sich die Betrachter mit dem Objekt befassen und auseinandersetzen. Denn das mussten die mutigen Pinocchio-Eis-Jäger schließlich auch.

Sie sind stolz auf darauf, ihr Ziel erreicht zu haben, auch wenn es für Mägen und Geist anstrengend war. "Wir haben die menschlichen Bedürfnisse komplett heruntergeschraubt und auf guten Schlaf, gesunde Ernährung oder Kommunikation mit anderen Menschen verzichtet. "Wir sind eben harte Kerle", witzeln sie.

... und noch eine Eis-Monster-Variante aus einer deutschen Eisdiele ...

... und noch eine Eis-Monster-Variante aus einer deutschen Eisdiele ... © Starfruit Verlag, NNZ

Körperliche oder geistige Schäden trugen sie nach eigenen Aussagen nicht davon. Und jetzt, nach Erscheinen des Buches (es kostet 25 Euro), können Sie auch schon wieder Eis essen.

Nach dem Projekt ist vor dem Projekt – ein neues steht bereits in den Startlöchern: "Es spielt auch wieder in Deutschland." Mehr dürfen sie noch nicht verraten, außer "dass es diesmal gruselig wird". Noch gruseliger!

Ihre Pinocchio-Eis-Bilanz darf übrigens Nachahmern ruhig als Ansporn dienen. "Wer mehr schafft als wir, soll sich gerne melden. Wir wollen aber Beweisfotos."

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