Wildwest-Kapriolen bei der Musicalbühne Nürnberg

4.11.2016, 08:08 Uhr
Ein Westernspektakel mit Musik war geboten.

© Hans von Draminski Ein Westernspektakel mit Musik war geboten.

Eine wilde Mischung aus Western und Operette, gespielt von einem Musical-Ensemble. Klingt schräg, ist es auch ein Stück weit, macht aber viel Spaß: In diesem Winter zeigt die Musicalbühne Nürnberg ihre "Wildwest-Kapriolen", entfernt angelehnt an eine Räuberpistole Franz von Suppés.

Dessen Musik hat der Produzent und musikalische Leiter Gerald Uhlmann sorgsam neu arrangiert und mit einer Menge eigener Songs angereichert. Die Brüche, die dadurch manchmal auftreten, sind durchaus gewollt, denn so entsteht ein bewusst heterogenes Gewimmel aus Country und Vaudeville, Squaredance-Rasanz und Arien-Seligkeit, wobei der weitgehende Verzicht auf Playbacks – die Musicalbühne verfügt über ein eigenes Kammerorchester – angenehm auffällt.

Dass sich das Westerngenre längst überholt hat, weiß Regisseurin Angelika Uhlmann, die gerade deshalb die Klischees dieser Gattung lustvoll bedient und ebenso lustvoll ironisiert. Der erst 20-jährige Daniel Uhlmann – das Ensemble ist im Kern ein Familienbetrieb – gibt stilvoll und lässig den edlen Banditen Malando, der im Robin-Hood-Stil die Reichen ausnimmt, um den Armen etwas geben zu können. Ein cooler Rächer, der seine Knarre etwas schneller zieht und im wirklich noch wilden Westen deshalb bisher überlebt hat.

Getrieben wird Malandro von Rachegelüsten, weil er als Sohn eines Kopfgeldjägers in seiner Heimatgemeinde stets ein Ausgestoßener war und dies nun jene spüren lassen will, die ihn einst gequält haben – allen voran die fiese Rosemary Williams (die Bosheit in Person: Petra Pöllot), die gerade dabei ist, ihre Tochter Lucille (Strahlemädchen: Laura Vogel) an einen ebenso reichen wie versnobten Millionenerben (wunderbar trottelig: Julian Straßberger) zu verschachern, weil ihr der solide Farner Ben (Sonnyboy: Simon Rötsch) als Schwiegersohn nicht in den Kram passt. Klar, dass diese Schieflage von Malandro repariert werden muss...

Wie so häufig sind es die Nebenrollen, die in diesem Stück zu ganz großer Form auflaufen: Jana Klob als unglückliche Junglehrerin Olivia sorgt inmitten des turbulenten Komödien-Treibens für ein paar willkommene Momente der Besinnllichkeit und schafft es, ihre Rolle von der Schablone zu lösen: Diese Frau berührt, weil sie authentisch ist. Das gilt auch für Sabrina Lippmann, die ihren rettungslos in Malandro verschossenen Backfisch Betty derart überzogen auf die Bühne bringt, dass der Saal in schallendes Gelächter ausbricht. Überhaupt ist es die Kunst der wirkungsvollen Übertreibung, von der die „Wildwest-Kapriolen“ getragen werden.

Justina Rösch alias Annie ist Malandros "Schattenarmee" in der Kleinstadt – ein fragiles Mädel, das eine große Verbrecherin werden will. Lea Taubmann arbeitet lieber als Barmädchen, Beichtmutter und guter Geist: Hier stand die alte Idee der "edlen Hure" Pate. Ihre Vorgesetzte "Madame", im richtigen Leben Johanna Werfuchs-Barber, ist freilich eher Gutmensch als durchtriebene Puffmutter. Jacqueline Zuber-Scott scheint als weiblicher Hilfssherriff aus den "Western von gestern" ausgeborgt. Dafür wirkt Verena Peschke als Lucys geldgierig-mannstolle Schwester Evelyn, wie aus der Tim-Burton-Version von „Aschenputtel“ entsprungen. Das blöde Böse hat ein Gesicht. Diverse weitere Vorstellungen in der Alberichstraße 9 bis Samstag, 11. März 2017. Hier geht es zu den Termin- und Ticketinfos.

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