„Literarisches Feuerwerk“ in Gunzenhausen

4.5.2016, 06:55 Uhr
„Literarisches Feuerwerk“ in Gunzenhausen

© Jürgen Eisenbrand

Carl Orffs berühmtes „Carmina Burana“ erklang zum Auftakt, der Pianist Lang griff die dramatische Melodie spielerisch auf, improvisierte sie als Jazz-Balade weiter – und prompt landete man bei Mark Twain und seinen bissig-amüsanten Erinnerungen an einen Besuchen bei den Wagner-Festspielen 1891 in Bayreuth.

Lohengrin sei „so schön wie ein Zahnarztbesuch“, ätzte der geistige Vater von Tom Sawyer und Huck Finn. Auf der Bühne herrschte ein derartiges „Heulen und Wehklagen der Sänger“, dass er am liebsten habe „desertieren“ wollen. Umso verwunderlicher erschien dem Schriftsteller (1835 bis 1910) der „Wirbelsturm des Beifalls“, der sich schließlich nach dem letzten Akt erhob, und die enthusiastischen Reaktionen der Wagnerianer.

Der renommierte Schauspieler Max Tidof („Comedian Harmonists“, „Schwarzenberg“), versteht es wunderbar, für Twains Ironie den richtigen Tonfall zu treffen, Stimmen und Dialekte zu imitieren, Dialoge im schnellen Wechsel zu führen. Die sprachliche Meisterschaft Mark Twains ist bei dem 56-Jährigen, der selbst die Idee zu „Tidof Twain Lang“ hatte und den Auftritt auch konzipierte, in besten Händen.

In einem Interview mit dem Altmühl-Boten hatte Tidof wenige Tage vor seinem Auftritt gesagt: „So wie Mark Twain die Menschen und ihre Eigenarten beschreibt, kann ich das auf der Bühne fulminant zum Leben erwecken.“ Ein Versprechen, das er gehalten hat. Einziges Manko: Vor allem vor der Pause war Tidof mitunter etwas schwer zu verstehen, strengte das aufmerksame Zuhören doch erheblich an.

Ob den reichlich durchgeknallten König Ludwig II., der in einer privaten Theateraufführung die Schauspieler mit Dauerberegnung quälte; ob deutsche Opernfans, die alternden Sängern zujubeln, obwohl deren Kunst sich anhört, als ob an ihnen „ein chirurgischer Eingriff vorgenommen wird“; ob die „gusseiserne Gleichgültigkeit“, die Twain in einem Heilbad in Baden-Baden erlebte — die feinen Beobachtungen, die der amerikanische Großschriftsteller während seines neunjährigen Europa-Aufenthalts (1891 bis 1899) machte und meisterhaft ironisiert zu Papier brachte, sind akustische Leckerbissen.

Multifunktionale Perücke

Etwa der Entwurf eines Schwarzwälder Heimat- und Liebesromans (von Tidof in wechselnden Rollen und mit Hilfe einer multifunktionalen Perücke kongenial vorgetragen), oder die ausführliche Schilderung eines Duells, bei der sich der Mann aus dem Wilden Westen über die „Tapferkeit“ der Franzosen lustig macht.

Mit der sei es damals nämlich nicht so furchtbar weit her gewesen: Ein Schüsschen aus einem handtellergroßen Pistölchen bei Nebel und 55 Metern Distanz habe genügt, um jenen überaus beleibten Duellanten, als dessen Sekundant Mark Twain fungierte, in Ohnmacht fallen zu lassen. Der einzige Verletzte sei demnach er selbst gewesen: Er hatte den Fehler begangen, sich direkt hinter den Dicken zu stellen – der ihn promt unter sich begrub.

Die Bilder, die im Hintergrund auf eine weiße Wand projiziert wurden, ergänzten das „Duo Twain/Tidof“ optisch, Walter Lang lieferte mit Beatles-Variationen, Eigenkompositionen oder dem „America“-Hit „A Horse With No Name“ mehr als bloße Begleitmusik, und Mark Twains Prosa weckte Lust auf mehr.

So müsste es fast mit dem Teufel zugehen, wenn in Gunzenhäuser Buchhandlungen in den nächsten Tagen nicht vermehrt Gedrucktes von Samuel Langhorne Clemens, wie Twain mit bürgerlichem Namen hieß, über die Ladentheke gehen sollte.

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