Machen Naturkatastrophen einen Bogen um Franken?

10.8.2010, 17:29 Uhr
Machen Naturkatastrophen einen Bogen um Franken?

© Schreiter

Wer einmal seine Habseligkeiten aus der stinkenden, braunen Brühe eines von Hochwasser gefluteten Hauses fischen musste und danach tagelang mit dem Trockenlegen von Keller- und Erdgeschoss beschäftigt war, vergisst das Gefühl von Verzweiflung und Ohnmacht, das einen dabei quält, nicht so schnell. Und wenn dann Fernsehbilder — wie nun aus Tschechien, Polen, Sachsen und Brandenburg – vom Elend aktueller Flutkatastrophen berichten, kommt bei traumatisierten Menschen regelmäßig die Panik zurück.

So erinnern sich derzeit viele Bürger in den Gemeinden zwischen Erlangen und Forchheim voller Schrecken an die Nacht zum 22.Juli 2007. Wolkenbruchartiger Regen setzt damals ganze Dörfer unter Wasser. In knapp zwei Stunden prasseln bis zu 200 Liter pro Quadratmeter vom Himmel. In Poxdorf ertrinkt eine Frau in ihrer Kellerwohnung, auf dem Frankenschnellweg bei Baiersdorf retten sich zahlreiche liegengebliebene Autofahrer verzweifelt auf die Dächer ihrer Fahrzeuge, rund 2500 Haushalte und zahlreiche Gewerbebetriebe sind von der Flut betroffen. Auf rund 100 Millionen Euro werden am Schluss die Schäden geschätzt.

Von berüchtigter Vb-Wetterlage verschont

Und trotzdem — auch wenn die Menschen im Baiersdorfer Krenland da ihre Zweifel haben mögen — gehört Franken zu den Regionen, die vergleichsweise wenig Angst vor immer wiederkehrenden Hochwasser-Katastrophen hegen müssen. Verglichen etwa mit Sachsen sorgen in Nordbayern in erster Linie meteorologische Faktoren für geringere Gefahren. Das Land wird vor allem von der berüchtigten Vb-Wetterlage verschont. „Fünf-B“ ist ein sich regelmäßig im westlichen Mittelmeerraum aufbauendes Tiefdruckgebiet, das nordostwärts nach Mitteleuropa zieht, sich an den Ostalpen oder am Riesengebirge staut und dort zu extrem ergiebigen Niederschlägen führt. Tagelang kann es dann in den Einzugsgebieten von Donau oder Elbe regnen.

Im Grunde zu allen Jahreszeiten können diese Vb-Wetterlagen auftreten und Sachsen beziehungsweise das ostbayerische Voralpenland unter Wasser setzen. In der Summe sorgen hauptsächlich sie dafür, dass die jährliche Niederschlagsmenge in Südbayern mit 1000 bis 1200 Liter pro Quadratmeter fast doppelt so hoch liegt wie in Teilen Nordbayerns.

In Franken sorgt — wie im Juli 2002 — hauptsächlich kurzfristiger, mit Gewittern verbundener Starkregen für Überschwemmungen. Diese extremen Wetterphänomene, die im Zuge der Klimaveränderung häufiger auftreten, verschwinden so schnell, wie sie aufziehen. Sie sind lokal begrenzt und führen deshalb nicht dazu, dass sich in den Flüssen, die die Wassermassen ableiten, über Tage hinweg regelrechte Flutwellen aufbauen.

Wenn die Pegnitz anschwoll

Und dennoch gehörten in früheren Zeiten auch in fränkischen Städten verheerende Hochwasser zum festen Naturkatastrophen-Repertoire. Selbst die träge Pegnitz schwoll immer wieder so stark an, dass sie in der Nürnberger Innenstadt gewaltige Schäden anrichtete. Über zwei Meter hoch stand beim Rekordhochwasser vom Februar 1909 die Flut am Hauptmarkt. Eine anhaltende, strenge Frostperiode war dem ergiebigen Regen vorausgegangen. Der in Franken so verbreitete Sandboden, der sonst für ein schnelles Versickern der Niederschläge sorgt, war gefroren und konnte kein Wasser aufnehmen.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten die Nürnberger dafür, dass die Pegnitz den Innenstadtbewohnern keinen Schrecken mehr einjagen konnte. Sechs Staustufen, mit denen das Abfließen des Wassers reguliert werden kann, und der Wöhrder See als Rückhaltebecken wurden eingerichtet. Vor allem sorgt seit 50 Jahren aber ein 140 Meter langer, zehn Meter breiter und vier Meter hoher Hochwasser-Tunnel dafür, dass der Fluss an seinen Innenstadt-Engstellen nicht mehr über die Ufer treten kann.

100-jährliches Hochwasser?

„Auch am Main wurde viel in ähnliche Schutzmaßnahmen investiert“, erklärt der Hochwasserschutz-Experte Alfons Vogelbacher vom Landesamt für Umwelt in München die relativ entspannte Situation in Franken. Als Zielvorgabe wurde für Siedlungsgebiete der Schutz vor einem sogenannten 100-jährlichen Hochwasser ausgegeben. Das heißt: Die Vorsorge soll vor Flutmengen schützen, wie sie im statistischen Mittel alle hundert Jahr einmal vorkommen.

Neben Staustufen und künstlich geschaffenen Hochwasser-Speichern setzt man dabei in jüngerer Zeit vor allem wieder auf die Renaturierung von Flussläufen. Nachdem man die Fließgewässer im Zuge von Flurbereinigungsmaßnahmen lange eher begradigt hatte, dürfen Bäche und kleine Flüsse jetzt wieder häufiger durch die Landschaft mäandern und dafür sorgen, dass in Hochwasserzeiten die Fluten langsamer in den Mündungsfluss gelangen und sich die Situation dort weniger dramatisch entwickelt.

Solche Projekte sind nicht schnell zu realisieren und in aller Regel mit langen Planungsphasen verbunden. Manchmal dauert es deshalb viele Jahre, bis die einmal von Hochwasser geschädigten Bürger den Eindruck haben, dass konkrete Konsequenzen aus ihrem Unglück gezogen wurden. Zwischen Erlangen und Forchheim versetzen finstere Gewitterwolken am Himmel noch immer viele Menschen in mittlere Panik.