Markus Vierke: "Ich sehe das auch als Chance"

24.5.2020, 08:24 Uhr
Engagierter Trainer: Seit Juni 2017 dirigiert Markus Vierke die erste Herrenmannschaft des TSV 1860 Weißenburg. Er setzt vor allem auf die eigene Jugend und hat seinen Heimatverein an die Spitze der Fußball-Bezirksliga Süd geführt.

© Foto: Uwe Mühling Engagierter Trainer: Seit Juni 2017 dirigiert Markus Vierke die erste Herrenmannschaft des TSV 1860 Weißenburg. Er setzt vor allem auf die eigene Jugend und hat seinen Heimatverein an die Spitze der Fußball-Bezirksliga Süd geführt.

Darüber haben wir mit TSV-Trainer Markus Vierke ebenso gesprochen wie über die Langzeit-Tabellenführung in der Bezirksliga Süd, die Geisterspiele in der Bundesliga oder die Frage, wie man in solch einer schwierigen Phase die Spieler und Teams bei Laune halten kann.

Herr Vierke, wie fühlt es sich an, wenn man seit rund acht Monaten ungeschlagen ist und zudem seit fast sieben Monaten an der Tabellenspitze der Fußball-Bezirksliga Süd steht?

Markus Vierke (lacht): Ja das ist schon angenehm. Wenn jemand fragt, wo wir stehen, und wir können sagen: ganz oben! Tabellenführer zu sein ist natürlich ein angenehmer Zustand für diesen langen Zeitraum. Im November hätten wir sicher gesagt, es wäre ein Traum, wenn wir auch im März und April noch vorne stehen würden. Wenn wir hinten liegen würden, wäre es hingegen eine sehr unangenehme Situation. Man muss aber auch feststellen, dass sich der Zustand immer mehr verwässert angesichts der offenen Fragen, wie und wann es weitergeht.

Was fällt Ihnen zum Datum 23. Mai ein?

Puh, so genau habe ich den Spielplan nicht mehr im Kopf, aber ich nehme mal an, das wäre der letzte Spieltag der Saison gewesen.

Genau, und da hätten Sie durchaus die Meisterschaft feiern können?

Vielleicht hätten wir ein schönes Fest gehabt oder würden uns über den erneuten Einzug in die Relegation freuen. Inzwischen ist es aber ein ganz anderer Abschnitt, eine ganz andere Situation, die man so akzeptieren muss. Klar sind wir ehrgeizig und möchten den Erfolg haben. Wir müssen aber auch zugeben, dass das bei uns nicht so weltbewegend ist. Es ist letztlich "nur" Bezirksliga. Ein Saisonabbruch mit einer möglichen Annullierung wäre zwar schade gewesen, wir hätten aber damit leben können. Auch die jetzt geplante Saisonfortsetzung ab 1. September ist aus meiner Sicht eine akzeptable Lösung.

Bleibt abzuwarten, ob es im September tatsächlich weitergeht und die Saison 2019/2020 noch in diesem Kalenderjahr zu Ende gespielt werden kann.

Grundsätzlich ist das schon umsetzbar, man muss sich aber auch im Klaren sein, dass es dann von heute auf morgen wieder zu Ende sein kann. Die Frage ist ja auch, was im neuen Jahr kommt? Es wird nicht leicht, wenn bei einer verkürzten Saison ein Aufsteiger wenige Monate später vielleicht schon wieder absteigen muss.

Ihr Vereinskamerad und Spartenleiter Roland Mayer hatte vorgeschlagen, die derzeit laufende Saison automatisch bis Ende Mai/Anfang Juni 2021 zu verlängern. Das würde Zeitdruck nehmen und höchstmögliche Planungssicherheit geben. Was halten Sie davon?

Das ist zwar nicht unbedingt meine favorisierte Lösung, sie ist aber fast am naheliegendsten. Was ist zum Beispiel, wenn im September ein Spieler an Corona erkrankt? Dann ist vieles nicht mehr durchziehbar. Auch das Wetter könnte im Herbst einen Strich durch die Rechnung machen. Spielausfälle könnten alles durcheinanderwirbeln. Die Variante von Roland Mayer liegt also durchaus nahe.

Markus Vierke:

© Foto: Uwe Mühling

Als Mitte März der Spiel- und Trainingsbetrieb ausgesetzt wurde, ging man zunächst von ein paar wenigen Wochen Zwangspause aus. Inzwischen sind es über zwei Monate. Wie kann man über einen solch langen Zeitraum ein Team bei Laune halten?

Das ist schon eine große Herausforderung. Wir hatten anfangs beschlossen, zwei Wochen zu pausieren und abzuwarten. Wir hatten aber auch schon früh die Vorahnung, dass es länger gehen würde. Ende März habe ich damit begonnen, den Spielern selbstgemachte Videos mit verschiedenen Übungen zu schicken – vieles mit Ball, aber auch für die Kondition und Koordination. Das waren am Ende so zehn Videos, die sehr gut angenommen wurden. Irgendwann verliert das aber auch seinen Reiz und ich muss zugeben, dass einem als Trainer die Ideen für das Individualtraining ausgehen. Im Mai haben wir dann einen Lauf-Challenge veranstaltet, das ist natürlich alles auch ein Stück weit Bespaßung, aber es ist wichtig, dass man den Bezug zu den Spielern behält. Deshalb haben wir auch mal ein Videotraining mit allen 20 Spielern aus dem Kader der Ersten gemacht. Dann hat man sich mal wieder gesehen und gehört. Letztlich kann es aber nicht ewig so weitergehen. Ich denke die Fitnessgrundlage ist da und wir haben die zweieinhalb Monate vernünftig überbrückt. Jetzt ist es aber an der Zeit, dass die soziale Komponente wieder ins Spiel kommt, dass man sich wieder trifft und mit seinen Kumpels trainiert.

Deshalb hat sich TSV 1860 auch entschieden, das Mannschaftstraining trotz strenger Corona-Einschränkungen und quasi kontaktlos wieder aufzunehmen.

Das ist alles sehr komplex und gerade auch im Amateurbereich schwierig. Allein das mit den Fünfergruppen, in denen trainiert werden darf, muss sich erst einmal einspielen. Aber es ist immer noch besser als alles, was bisher möglich war. Ich freue mich darauf und sehe das auch als Chance. Man kann in diesen Kleingruppen manches vielleicht intensiver und individueller verbessern. Dazu hat man sonst weder die Zeit noch die Möglichkeit. Es geht jetzt darum, wieder zusammenzukommen, Spaß zu haben und an der Technik zu arbeiten. Das ist nicht zuletzt für die Spieler wichtig, die sich alleine nicht so motivieren können. Klar ist aber auch, dass das nichts ist, was man über zehn Wochen machen kann, es muss zeitlich begrenzt sein.

Und wie waren Ihre Einrücke bei der ersten Corona-Einheit?

Es war ungewohnt, aber schnell wieder vertraut, auf dem Platz zu trainieren. Das Training in Kleingruppen ist anders, war aber sehr ergiebig und hat den Jungs sichtlich gut getan. Daneben war das Interesse einiger Autofahrer sehr groß, einige haben vom Parkplatz in der Rezat-aue aus zugesehen. Ist ja schön, dass dieses Normale offenbar als besonders betrachtet wird.

Neben den beiden Herrenmannschaften hat der TSV 1860 Weißenburg auch zwölf Jugendteams und obendrein noch die Bambini. Im Nachwuchsbereich dürfte es fast noch schwieriger sein, die Kinder und Jugendlichen bei Laune zu halten?

Ja, das ist im Jugendbereich deutlich schwieriger. Hier besteht schon die Gefahr, die Spieler vom Kopf her zu verlieren. Unsere Trainer versuchen mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben, sind in dieser Phase aber an ihre Grenzen gekommen. In meinen Augen ist es nicht möglich, einen Zwölfjährigen mehr als vier Wochen fürs individuelle Fußballtraining zu begeistern. Die wollen spielen und wollen den Wettbewerb. So gehen sie nun vielleicht zum Skateboarden oder spielen mit der Playstation. Ich kann nur hoffen, dass viele trotz der Zwangspause weiterhin bei ihrem Sport bleiben – egal ob Fußball, Handball oder andere Sportarten. Und ich hoffe auch, dass die Corona-Krise in dieser Hinsicht keine tieferen Spuren in unserer Gesellschaft hinterlässt.

In der Bundesliga wird seit dem vergangenen Wochenende wieder gespielt, allerdings in leeren Stadien. Was halten Sie von diesen sogenannten Geisterspielen und sind diese auch auf den Amateurfußball übertragbar?

Von Geisterspielen bin ich nicht gerade begeistert, aber aus Trainersicht ist es mal ganz interessant, wenn man mitbekommt, was da alles gerufen wird. Bei den Profis ist klar, dass es aus finanziellen Gründe nicht anders geht, bei den Amateuren kann ich mir das allerdings nicht vorstellen. Zuschauer müssen da sein, das ist ja das Besondere, ohne sie wäre das eine traurige Sache. Ohne Zuschauer würde man auf Dauer sicherlich auch Sponsoren verlieren. Bei der Bundesliga ist das zwar auch eine komische Sache, aber ich war ehrlich gesagt froh, dass ich nach langer Zeit wieder mal Fußballspiele anschauen konnte. Falls es bei uns im September wieder losgeht, müsste das auch vor Zuschauern möglich sein, dann gerade in unseren Ligen sind die Besucherzahlen durchaus überschaubar.

Sie sind jemand, der seit vielen Jahren als Spieler und Trainer in seiner Freizeit durch den Fußball getaktet ist. Hand aufs Herz: Haben Sie die freien Wochenenden mit Ihrer Familie nicht auch genossen?

Wie viele andere habe auch ich diese Phase zum Durchschnaufen nutzen können. Das ist zunächst schon eine große Umstellung, denn vieles orientiert sich an diesem Hobby. Es war für mich auch eine Erfahrung, wie man selber tickt. Ich habe es schon genossen, mehr Zeit für meine Frau und meine beiden kleinen Jungs zu haben. Ich freue mich aber auch, wenn es wieder losgeht und finde, dass da beim TSV eine gesunde Einstellung herrscht. Wir haben eine sehr gute Gemeinschaft und versuchen gemeinsam unsere Ziele zu erreichen. Wenn man all das in einer solch langen Pause als Fußballer nicht vermisst, wird‘s schwierig. Ich bin mittlerweile jedenfalls froh, wenn wir überhaupt wieder unserem Hobby nachgehen können. Der ganze Spielbetrieb und der Erfolg stehen vorerst mal hinten an.

Zur Person

Markus Vierke ist gebürtiger Weißenburger. Als Spieler war er neben seinem Heimatverein, dem TSV 1860, auch für den MTV Ingolstadt, die SpVgg Greuther Fürth, die SpVgg Ansbach, den FV Wendelstein und den SV Seligenporten aktiv. Seine Trainerlaufbahn begann er im Jugendbereich beim TSV 1860 München, dann folgten die Herren I des FC/DJK Weißenburg und die Herren II des SV Seligenporten. Weitere Stationen waren der 1. FC Nürnberg (Nachwuchs) und der SV Ornbau (Herren). Im Juni 2017 kehrte er als Trainer zum TSV 1860 Weißenburg zurück, den er inzwischen an die Spitze der Bezirksliga Süd geführt hat. Sein Vertrag läuft bis 2022. Der 38-Jährige ist beruflich als Lehrer an der Mittelschule Weißenburg tätig. Mit seiner Frau Christina und den vier Jahre alten Zwillingen Marius und Laurens wohnt Vierke in Höttingen.

 

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