Melancholie am Unsinnigen Donnerstag

11.2.2021, 14:00 Uhr
Melancholie am Unsinnigen Donnerstag

© Foto: Tobias Tschapka

RKI-Zahlen, Corona-Mutationen und Impfdesaster statt Rathaussturm, buntes Treiben, närrische Überfälle. Fast schon surreal, der Gedanke an den "Unsinnigen Donnerstag". Und doch steht er so im Kalender drin. Aber de facto findet er nicht statt. Das oder Ähnliches dürfte vielen Fastnachtern in diesen Tagen durch den Kopf gehen. Eine von ihnen: Evi Volland, unter anderem Chef-Trainerin beim Rother Carneval Verein (RCV).

"Als im November der zweite Lockdown kam, da bin ich erstmal in ein Loch gefallen." Eigentlich ist Evi Volland kein Mensch, der sich lange mit schlechter Laune und Pessimismus abgibt. Das würde auch gar nicht zum Leben von ihr und ihrer Familie passen. Denn seit vier Jahrzehnten ist der Fasching samt allem, was so dazu gehört – von der Dämmerung bis zum Kehraus – fester Bestandteil der 51-Jährigen.

Teil des Alltags

Ein Fasching ohne Faschingstreiben – undenkbar für die grazile Hilpoltsteinerin. Aber Corona hat sie eines Besseren belehrt. Volland ist mit ihren 51 Jahren das, was man gemeinhin als "Urgestein" nennt angesichts der Jahre, in denen sie Mitglied beim Rother Carneval Verein (RCV) ist. Auch wenn der Begriff vom "Stein" so gar nicht zu ihr passt.

Denn die schlanke Blondine weiß sich zu (ver-)biegen, scheint beim Tanzen der Schwerkraft zu trotzen, bewegt sich mit einer Leichtigkeit, um die sie selbst deutlich Jüngere beneiden – außer Tochter Mona. Die 23-Jährige teilt mit ihrer Mutter die Leidenschaft fürs Tanzen. Mit derselben Begeisterung und derselben Leidenschaft wie ihre Mutter ist auch sie Teil der RCV-Familie. Und folgt sogar ihrer Karriere – erst als Tanzmariechen, dann als Trainerin.

Von klein auf dabei

Denn auch Evi Volland kam zum Fasching via Ballett und Gardetraining als Solotänzerin. Da war sie gerade mal elf Jahre alt. Seitdem "gab es keinen Fasching, wo ich nicht dabei war", blickt die Anfang 50-Jährige mit etwas Wehmut zurück.

Melancholie am Unsinnigen Donnerstag

Das Große Ganze geht ihr ab. Diese Mischung aus guter Laune und sportlicher Leistung, aus gesellschaftlichem Leben und Teamleistung, aus lockerem Geplauder am Rande der Bühne und hartem Training hinter der Bühne. Ihr war klar, dass mit dem Lockdown die Session 2020/21 so ganz anders werden wird als alles, was sie bisher davor erlebt hat. Nicht umsonst hat der RCV schon frühzeitig sämtliche Faschingsveranstaltungen abgesagt.

Und ja, Evi Volland geht der Lockdown – wie vielen anderen Selbstständigen – nicht nur moralisch an die Substanz. Sondern auch existenziell. Schließlich gehörte sie sowohl im März als auch im November mit ihrer Rother Ballettschule, zugleich Talentschmiede für sämtliche RCV-Garden und RCV-Tanzmariechen, zu den ersten Freizeiteinrichtungen, die schließen mussten.


Der RCV geht mit Prinz und Prinzessin auf Safari


Fast wie eine "Schockstarre" habe sich der zweite Lockdown für sie angefühlt, erzählt Volland von den ersten Wochen. "Irgendwie war ich in der ersten Zeit zu gar nichts mehr fähig, was in Richtung Tanzen ging." Letztlich aber siegte ihr (Zweck-)Optimismus.Und: Sie merkte, dass nicht nur ihr, sondern auch ihren Mädels – angefangen von den Kleinsten der Krümelgarde bis hin zu den erwachsenen Tänzerinnen in der Prinzengarde – das Tanzen fehlt.

Also setzte sich Evi Volland hin, brachte sich das Videofilmen samt Schneiden bei, arbeitete sich in "Zoom" als Online-Kommunikationsprogramm ein, tüftelte für ihre Garden Adventskalender samt Mini-Filmchen aus. Mal mit Trainingsaufgaben, mal mit Motivationssprüchen.

"Super Resonanz"

Dann nahm sie wieder einen Teil der Trainingsstunden auf. Online und per Zoom. Aus dem heimischen Wohnzimmer heraus statt im Ballettsaal. Die Resonanz: "super!"

Natürlich ersetzten diese Stunden nicht das gemeinsame Training. "Aber alles sein lassen geht doch auch nicht", gibt Evi Volland zu bedenken. Auch wenn sie gut verstehen kann, "wenn Schülerinnen, die den ganzen Tag schon Online-Unterricht haben, nicht auch noch am Abend an Zoom-Trainingsstunden teilnehmen wollen".

Doch die Kommentare via Laptop, gerade bei den Älteren aus der Junioren- und der Prinzengarde, geben ihrer Cheftrainerin Recht: "Mit ganz wenigen Ausnahmen sind alle dabei", freut sich Volland, die selbst viele Jahre lang als Tanzmariechen erfolgreich auf Turnieren und bei anderen Faschingsgesellschaften die Farben des RCV vertreten hat.

Zimmer statt Trainingsraum

Trainieren, sich beweglich halten, fit bleiben, besser: fitter bleiben als ohne Sport (Volland: "Zoom-Stunden im eigenen Zimmer können halt doch nicht ganz das Training im großen Übungsraum mit Spiegeln und persönlichem Feedback ausgleichen") ist das eine.


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Das Gefühl, einem eingeschworenen Team anzugehören; der Spaß, der bei allen Auftritten auch am Rand der Veranstaltungen "einfach dazugehört", die Begegnungen mit vielen guten Bekannten aus der Faschingsszene, die ja "schon irgendwie wie eine große Familie ist" – das alles fehlt Evi Volland und Co.

Fasching – für Menschen wie Mona und Evi Volland nicht nur ein Hobby. Sondern eine echte Herzensangelegenheit. Ein fester Bestandteil im täglichen Leben. Auch ein Stück Lebensqualität, die sie gerade an Tagen wie heute, dem "Unsinnigen", noch ein bisschen mehr vermissen als sonst.

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