OECD-Studie deckt Geldwäsche im Fußball auf

10.7.2009, 00:00 Uhr

Es geht längst nicht mehr nur um den Ball auf dem Rasen, das ist jedem klar, der als Fernsehzuschauer in der Halbzeitpause von Großbrauereien und Autokonzernen umworben wird, jedem, der sich für immer höhere Eintrittspreise an den Stadionkassen ein Stück der glitzernden Bundesliga-Welt erwirbt. Und wirklich fair geht es im Milliardengeschäft Fußball genauso wenig zu wie auf dem Platz. Das macht eine neue Studie der Finanzaktions-Task-Force (FATF) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) deutlich. Auch im Hintergrund wird getrickst, was das Zeug hält: Gerade für Geldwäsche ist der Fußball eine ideale Plattform.

«Es zeigt sich, dass Geldwäsche durch Fußball komplexer ist, als ursprünglich angenommen», schreiben die Experten der FATF in ihrem Bericht, der der NZ vorliegt. Und annehmen kann man so einiges in einem Sport, der wie kein anderer die Menschen rund um den Globus in seinen Bann zieht: Eine Milliarde Menschen sahen 2006 das Berliner WM-Finale, 38 Millionen Fußballer sind weltweit in Vereinen registriert, sechs Millionen davon in Deutschland. Ein Sport, der immer größere Summen bewegt, wie der 94-Millionen-Euro-Transfer von Cristiano Ronaldo zu Real Madrid beweist, ist anfällig für Finanzbetrug.

Abhängig von zweifelhaften Investoren

Zwischen 1996 und 2007 haben sich die Einnahmen der fünf europäischen Topligen – in Deutschland, England, Spanien, Italien, Frankreich – von 2,5 auf 7,9 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. «Der Zustrom großer Geldmengen hat den Fußball zu einem der vielen Gebiete gemacht, die für Kriminelle attraktiv sein können, die Gewinne aus Verbrechen zu waschen», schreibt die FATF. Bereits 2006 hatte William Gaillard, der Kommunikations-Direktor des Europäischen Fußballverbands Uefa eingestanden: «Es gibt keinen Zweifel, dass der europäische und der lateinamerikanische Fußball Kanäle sein können, um schmutziges Geld zu waschen.»

So versuchten mehrere Italiener um den früheren Vereinspräsidenten Giorgio Chinagli mit dem Kauf von Aktien des Erstligisten Lazio Rom Schwarzgeld der Camorra wieder legal in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. Kein Einzelfall, wie die 20 anonymisierten Beispiele in der FATF-Studie verdeutlichen. In Frankreich, Belgien, Mexiko und Argentinien haben demnach Kriminelle Fußballvereine für ihre Zwecke missbraucht.

Die horrenden Transfersummen stehen dabei im Mittelpunkt. Der Erfolgsdruck zwinge die Vereine zu höherem Risiko. «Die ,Kultur der Unberechenbarkeit‘ könnte zu einer gestiegenen Toleranz gegenüber scheinbar irrationalen Zahlungen führen», schreiben die Autoren der Studie.

Ausgeglichen wird das entstandene Defizit durch Investoren. Oft sind die von zweifelhafter Herkunft. Bei Real Madrid dreht ein Baumilliardär am Transferkarussell. Bei einem französischen Amateurklub war es ebenfalls der Vereinspräsident, der am Saisonende kräftig Geld zuschoss – und dabei das Kapital seines eigenen Unternehmens missbrauchte, wie die FATF feststellt. In Schulden geratene Vereine stellen nicht viele Fragen, wenn ein neuer Investor auftaucht, befürchtet man bei der Task-Force in Paris.

So versuchte ein europäischer Geschäftsmann über einen kleinen Klub in Belgien, Betrugsgelder rein zu waschen. Aus Argentinien ist ein Fall bekannt, wo von Briefkastenfirmen in fernen Steueroasen illegale Dollarmillionen mittels eines Spielerwechsels unerkannt hin- und hertransferiert wurden. Nur wenn Steueroasen stärker unter Druck gesetzt werden, Informationen preiszugeben, könnte das Geschäft mit dem Fußball wieder sauberer werden. Der Sport allein ist zu schwach, um außerhalb des Spielfelds für Fairness zu sorgen.

Manch ein Ganove mit übersteigertem Geltungsdrang nutzt sein Geld aus kriminellen Machenschaften, um sich in die feinere Fußballgesellschaft einzukaufen. Beim Fußball treffen sich Regierungsvertreter, die Spitzen der Gesellschaft – und die zwielichtigen Größen der Halbwelt. «Populärsport kann der Weg für Kriminelle sein, ,prominent‘ zu werden, indem sie Umgang mit berühmten Leuten haben und in die mächtigen Kreise der etablierten Gesellschaft aufsteigen», so steht es in dem Bericht.

Doch auch die verwinkelten Vereinsstrukturen, nebulöse Eigentümergeflechte und undurchsichtige Buchführung machen das Milliarden-Geschäft Fußball für Kriminelle so interessant. «Es gibt zu wenig Transparenz. In vielen Ländern gibt es keine Sport-Aufsichtsbehörden, die Geldwäsche im Fußball überwachen», kritisiert Vincent Schmoll, der bei der FATF die Studie betreut hat. Ein guter Nährboden für Finanzverbrechen biete sich auch, weil viele Vereine immer noch von Amateuren geführt würden.

Der Reigen krimineller Machenschaften im Umfeld des Sports ist damit noch nicht erschöpft, zeigt die FATF auf: Steuerdelikte, Korruption, gar Drogen- und Menschenhandel. Kaum etwas scheint undenkbar. Zu Korruptionsfällen etwa schreibt die OECD-Task-Force: «Es wurde in mehreren Ländern beobachtet, dass manche Eigentümer und Investoren von Vereinen häufig Verträge für öffentliche Aufträge erhalten.»

Und auch in Bundesliga-Kreisen wird mehr gemauschelt und getrickst, als der brave Fan sich vorstellen mag. «Da geschehen Dinge, die ich selbst kaum mehr glauben konnte», bestätigt ein Hamburger Wirtschaftswissenschaftler, der lieber ungenannt bleiben möchte, im Gespräch mit der NZ. «Selbst prominenteste Akteure» seien darin verwickelt, «die nach außen hin ganz sauber dastehen» – Manager, Spielervermittler, Trainer.

«In Osteuropa sind 90 Prozent der Trainer und Manager korrupt, in der Bundesliga 50 Prozent», erzählt einer aus den Vorstandskreisen eines etablierten Erstligisten. Acht von zehn Spielerberatern machten keine sauberen Geschäfte, sagt er der NZ. Das Spielchen geht so: Wenn ein Vermittler 500 000 Euro Provision bekommen soll, fordern Trainer oder Manager schnell mal 20 oder 30 Prozent davon. In Osteuropa sei das Standard, in der Bundesliga laufe ein Großteil der Transfers so ab, sagt der NZ-Informant. Zeugen, die auspacken, fehlen.

Kaum zu glauben, dass die Ermittlungen gegen einen wie Rainer Calmund am Ende eingestellt wurden, der als Manager von Bayer Leverkusen wegen dubioser Zahlungen an einen Spielervermittler unter Untreueverdacht geraten war, der Spieler offenbar teurer eingekauft hat als sie anderen Bundesligisten angeboten worden waren. «So ein Fall ist in anderen Branchen – der Politik, der Wirtschaft – unfassbar», sagt der Bundesliga-Insider im Gespräch mit der NZ.

Doch in der Deutschen Fußball-Liga gebe es wie bei der Fifa eben genug Möglichkeiten, solche Vergehen unter der Decke zu halten. «Die Netzwerke sind so stark, der Fußball so mächtig, die Eitelkeiten so groß – bis hinein in die Staatsanwaltschaften», sagt der Mann. König Fußball hat sie alle in seiner Macht. Wenn es darum geht, bei wichtigen Spielen dabei zu sein, dann würden alle VIPs, alle noch so mächtigen Wirtschaftsbosse zu «kleinen Jungs».

Selbst der als besonders seriös geltende Branchenprimus Bayern München geriet jüngst in die Schlagzeilen, als offenbar wurde, wie der Manager von Stürmer Claudio Pizarro bei dessen Wechsel von Bremen nach München ein Millionen-Geflecht spann: Statt der festgeschriebenen Ablösesumme von sieben Millionen Dollar flossen 2001 insgesamt 53 Millionen Euro zwischen Isar, Weser und dem Steuerparadies Panama hin und her. Adidas deckte einen Großteil durch einen Werbevertrag mit Pizarro ab.

Pizarros Manager kassierte doppelt: Von dem Spieler und von Bayern München erhielt er je eine Provision und verstieß damit gegen Fifa-Regeln. Die unseriösen Vermittler sind ein Hauptproblem des Transfergeschäfts. Nur 4000 bei der Fifa lizensierte Spielerberater dürften eigentlich Fußballer vermitteln. «Aber immer noch agieren viele Agenten ohne Lizenz und entziehen sich so der Kontrolle der Fifa und der nationalen Verbände», schreibt die FATF. Selbst der Sprecher des DFB musste einräumen: «Wo Vereine mit illegalen Spielervermittlern zusammenarbeiten, herrscht ein Kartell des Schweigens», so Harald Stenger im «Handelsblatt». «Der Klub wird sich selbst nicht äußern, denn auch ihm drohen Sanktionen.»

Was Geldwäsche angeht, seien die Vereine dagegen sauber, betont unser Informant aus der Bundesliga-Vorstandsetage, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Die Zeiten Schwarzer Kassen wie in den 70ern, die seien vorbei. Immerhin ein gutes Zeugnis. Die Korruption aber, die blüht auch hier: «Letztlich ist es immer die Gier einzelner Personen.»

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