Ohne sie wäre Nürnberg nicht das, was es ist

24.6.2018, 17:51 Uhr
Ohne sie wäre Nürnberg nicht das, was es ist

Wir starten unseren Rundgang am Ölberg (1) mit einer Frau, deren Name seit Anbeginn mit Nürnberg verknüpft ist. Mit einer Liebeserzählung trat Nürnberg in die Geschichte ein: Sigena, die Leibeigene des Adeligen Richolf, wurde von Heinrich III. auf der Burg freigesprochen, damit Richolf sie zur Frau nehmen konnte. In der sogenannten Sigena-Urkunde aus dem Jahre 1050 wird Nürnberg erstmals erwähnt.

Generell hatten Frauen verantwortungsvolle Aufgaben in Familie und Betrieb und wurden deshalb auch als "Ehwirtinnen" bezeichnet. Zusätzlich kam ihnen eine besondere Bedeutung zu, da ein Mann in Nürnberg unternehmerisch nur etwas erreichen konnte, wenn er Nürnberger Bürger und verheiratet war.

Ohne sie wäre Nürnberg nicht das, was es ist

© Foto: Kunstmuseum Basel, Geschenk von Louise Bachofen-Burckhardt (1904) Inv. Nr. 436

Eine bekannte Ehwirtin war Barbara Dürer, geb. Holper. Sie lebte mit ihrer Familie in dem Haus an der Ecke Burgstraße/Obere Schmiedgasse(2). Durch Heirat hatte sie Albrecht Dürer d. Ä. ein "Bleiberecht" gegeben und ihm den beruflichen Aufstieg als Meister ermöglicht. Sie war – was damals für Frauen außergewöhnlich war – nicht nur des Lesens und des Schreibens kundig, sondern beaufsichtigte während seiner Abwesenheit auch den laufenden Betrieb. Daneben organisierte sie einen großen Haushalt mit Gesellen, Lehrlingen und 18 Kindern, von denen nur drei das Erwachsenenalter erreichten.

Organisatorisches Talent der Ehefrau

Ohne sie wäre Nürnberg nicht das, was es ist

© Foto: UBErl, Sign. H62/CIM.P 38

Ein paar Schritte weiter, in der Burgstraße 21(3), lebte Barbara Pleydenwurff-Wolgemut. Nach dem Tod ihres ersten Mannes, einem bekannten Maler, heiratete sie einen seiner Mitarbeiter: Michael Wolgemut. Damit kam dieser zu einer eigenen Werkstatt, die bald florierte und sich zu einem in Süddeutschland konkurrenzlosen Großbetrieb entwickelte. Das war nicht zuletzt auch dem organisatorischen Talent seiner Frau zu verdanken, die den großen Handwerkerhaushalt, zu dem auch der Lehrling Albrecht Dürer zählte, sehr geschickt und umsichtig führte.

Im späten 17. Jahrhundert lebte nicht weit von hier Maria Sibylla Merian. Sie war zugleich Künstlerin, Verlegerin und Naturwissenschaftlerin. Ihre künstlerische Ausbildung erhielt Maria Sibylla Merian in Frankfurt durch ihren Stiefvater. Sie heiratete einen seiner Schüler, den aus Nürnberg stammenden Johann Andreas Graff, und lebte mit ihm und den Töchtern 14 Jahre in dem Haus am Milchmarkt, heute Bergstraße 10(4). Sie eröffnete eine Malschule für Mädchen aus der Nürnberger Oberschicht, betrieb einen kleinen Farbhandel und stellte waschechte Farben zum Bemalen von Stoffen her. In Nürnberg erschienen auch die drei Teile des wunderschönen "Neuen Blumenbuchs". Diese Sammlung mit Kupferstichen aber auch ihre Aquarelle dienten als Vorlage für textile Handarbeiten. 1679 gab sie hier außerdem den ersten Teil des "Raupenbuchs" heraus. Mit dieser Publikation begründete sie ihren exzellenten Ruf als Naturforscherin.

Ohne sie wäre Nürnberg nicht das, was es ist

Auf unserem Weg können wir an der Nordseite der Sebalduskirche (5) eine Schutzmantelmadonna aus Stein erkennen. Es ist der Gedenkstein für Peter Fugger, der 1473 in Nürnberg an der Pest starb. Unter dem Mantel scharen sich die Familienmitglieder der Fugger und bitten um Marias Schutz und Fürsprache beim himmlischen Gericht.

Nicht weit von der Sebalduskirche stoßen wir auf das Spielzeugmuseum, Karlstraße 13–15 (6), wo Dr. Lydia Bayer jahrzehntelang als Museumsdirektorin wirkte. Vorher leitete sie ein Spielzeugmuseum in Würzburg, dessen Grundstock der Sammelleidenschaft ihrer Mutter zu verdanken war. Bald nahm Nürnberg Verhandlungen mit ihr über die Verlegung der Sammlung auf, was 1971 zur Eröffnung des Museums führte. Bayer gelang es, das Museum – in einer Zeit, in der Spielzeug noch als "Kinderkram" belächelt wurde – zu einer international beachteten kulturellen Institution zu entwickeln. Sogar über den Tod hinaus sorgte sie für ihr Museum: Mit ihrem Vermächtnis entstand auf dem Nachbargrundstück ein Außenspielplatz nach dem Motto "Spielen wie früher" mit traditionellen Geräten.

Ohne sie wäre Nürnberg nicht das, was es ist

Über dem Mitteltor des Rathauses (7) ruhen zwei überlebensgroße weibliche Figuren. Schwert und Waage symbolisieren Gerechtigkeit, Spiegel und Zypressenzweig Weisheit. Die Allegorien sollten die Ratsherren mahnen, mit Weisheit und Gesetzestreue zu regieren.

Am ehemaligen Portal der Industrie- und Handelskammer (8) wird der Fernhandel bildlich dargestellt. Links sehen wir einen Handelsherrn, der auf die Unterstützung von Merkur baut, den römischen Gott des Handels und der Diebe. Auf der rechten Seite können wir mit einem Handelsschiff in der Hand seine Ehwirtin und Stellvertreterin entdecken.

An der Fleischbrücke (9) wohnten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zwei Cousinen. Beide waren begabte Zeichnerinnen, Kupferstecherinnen und Radiererinnen, die jedoch ihr Talent auf unterschiedlichen Arbeitsgebieten einsetzten. Susanna Maria von Sandrart wurde von ihrem Vater Jacob von Sandrart unterrichtet, einem bekannten Kupferstecher und Verleger. Als anerkannte und selbstbewusste Künstlerin hinterließ sie nach 58 Lebensjahren ein umfangreiches Lebenswerk, das heute im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt wird. Ihre Cousine Maria Clara Eimmart wurde von ihrem Vater im Malen und Radieren, aber auch in Mathematik und Astronomie unterrichtet. Sie war nicht nur Künstlerin, sondern auch eine bekannte Astronomin. Bereits ab 1689 arbeitete sie mit ihrem Vater auf der ersten Nürnberger Sternwarte, der Vestnertorbastion. Mit ihren Arbeiten ist sie bis heute die einzige Frau von Bedeutung in der Geschichte der Mondkartografie.

Beide Frauen wurden durch ihre Väter gefördert, aber auch vereinnahmt, weil viele ihrer Arbeiten unter deren Namen veröffentlicht wurden. Mit den eigenen Leistungen im Hintergrund zu bleiben, entsprach der Frauenrolle um 1700. Die Rolle als Ehwirtin stand für beide im Vordergrund. Umso höher sind ihre künstlerischen und wissenschaftlichen Erfolge zu bewerten.

Die Frau, der ein Lied gewidmet wurde

Im Heilig-Geist-Spital (10) arbeiteten der Spitalmeister und die Spitalmeisterin, in der Regel seine Ehefrau, sehr eng zusammen. Er führte die Verwaltungsgeschäfte des Spitals und überwachte die Einhaltung der Spitalordnung. Sie nahm die Siechen auf, pflegte sie und verwaltete deren mitgebrachte Sachen. Außerdem organisierte sie die Einkäufe, kontrollierte die Vorratshaltung und die Wäschekammern und sorgte für das leibliche Wohl der Insassen und des Pflegepersonals.

Unsere letzte Station führt uns zum Hauptmarkt (11). Viele der älteren Nürnberger werden sich noch an die "Marcharedd" erinnern, Nürnbergs berühmteste Marktfrau aus dem Knoblauchsland. Mit der freundlichen, aber auch direkten Frage "Wos braung mern heit?" verkaufte sie fast 50 Jahre bei jedem Wetter auf dem Hauptmarkt ihr Gemüse aus eigenem Anbau. Eine Bronzebüste wurde ihr zu Ehren auf dem Hauptmarkt neben der Frauenkirche angebracht. Als ihre Augen schwächer wurden, hielt sie den Kunden einfach die Kasse mit dem Wechselgeld hin. Ihr Vertrauen wurde offenbar nicht missbraucht: "Des hat immer gstimmd, dou hat kaaner tricksd", betonte sie auf entsprechende Nachfragen. Und auf die Frage, wie es ihr geht, antwortete sie regelmäßig: "Mer derf z’frieden sei, wemmer alle Dooch gsund aafschdäih koo". 1994 unterbrach Bundespräsident Roman Herzog seinen offiziellen Stadtbummel, um direkt zu ihrem Stand zu gehen und ihr die Hand zu schütteln. Rudi Carrell hat der Frau aus dem Knoblauchsland mit "Margarete stadtbekannt" sogar ein eigenes Lied gewidmet.

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