An der Grenze der USA: "Humane Borders" rettet Menschen vor dem Verdursten

21.11.2020, 20:02 Uhr
An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

Um sechs Uhr morgens öffnet sich das Tor am "House of Neigborly Services” am Rande von Tucson, Arizona. Hier sind die Trucks der humanitären Hilfsorganisation "Humane Borders” geparkt. An diesem Morgen fährt Tracey Ristow, eine 48-Jährige, sechs der nahezu 60 Wasserstationen an, die von der Gruppe versorgt werden. Sie ist eine von etlichen Ehrenamtlichen, die regelmässig raus in die Wüste fahren.

An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

Nach rund 45 Minuten Fahrt Richtung Südwesten kommen wir zum ersten blauen Fass. Für die Migranten die zu Fuß unterwegs sind, ist es mit einer etwa sechs Meter hohen Fahne markiert. Hier wird der Wasserstand und die Wasserqualität getestet und ob die Fässer beschädigt worden sind, erklärt Tracey Ristow, doch "wir mussten vor einiger Zeit Schlösser an den Fässern anbringen, denn selbsternannte Milizen haben sie mehrfach beschädigt und Benzin, Terpentin und anderes reingeschüttet, um das Wasser zu vergiften.”

An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

Seitdem wird vermehrt auf die Wasserfässer aus Plastik geschossen, Löcher mit Messern eingebohrt, um die Behälter zu leeren. Das hier könnte das einzige Wasser sein, was Migranten finden können, so Ristow. Viele von ihnen gingen davon aus, das man es in ein bis zwei Tagen schaffen könnte. Doch, so Tracey Ristow, es kann sieben Tage dauern bis man zu einer größeren Straße kommt, wo dann jemand auf sie wartet. "Für so lange haben sie kein Wasser bei sich, also können diese Wasserstellen der Unterschied zwischen Leben und Tod sein.”

An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

An der Grenze der USA:

© Arndt Peltner

Die erste Wasserstation am heutigen Tag liegt rund 40 Meilen von der Grenze entfernt, die letzte Station, die wir anfahren ist neun Meilen von der "Border” weg. Es ist Ende Oktober, noch immer steigen die Temperaturen tagsüber bis fast auf 30 Grad, nachts sinken sie bis knapp über den Gefrierpunkt. Und das Gelände ist unwegig, steinig, nachts stockfinster, doch genau dann marschieren die Migranten Richtung Norden. Tagsüber versuchen sie sich im Schatten von Büschen auszuruhen und unentdeckt zu bleiben. Was erstaunt ist, dass die meisten Versorgungsplätze auf "Federal Ground” sind, also Land im Besitz der Bundesregierung, auf dem direkt an der Grenze Donald Trump seine Mauer bauen läßt. Und doch dürfen Freiwillige von "Humane Borders” humanitäre Hilfe leisten. Wie geht das zusammen? "Ich glaube, einige sehen das als humanitäre Hilfe, egal welcher Partei man angehört oder meint, die Leute sollten nicht kommen. Sie kommen aber und deshalb sollte niemand in diesem Land an Wassermangel sterben”, meint die 48jährige.

Die Border Patrol ist allgegenwärtig in diesem ungnädigen Teil Arizonas. In den etwa sechs Stunden zwischen den Wasserstellen konnte ich rund 30 Border Patrol Agents in ihren Wagen sehen, Helikopter kreuzten über dem Gebiet, Checkpoints wurden auf den Highways eingeführt, damit niemand unentdeckt Migranten nach Norden bringen kann. Als ich gestoppt wurde, schaute mich ein Agent mit strengem Blick an und fragte, ob ich amerikanischer Staatsbürger sei? "Yes”, meine kurze Antwort. Er blickte ins Auto und "have a nice day”.

Die Grenze wurde in den letzten Jahren unter Präsident Trump stark militarisiert. Viel Geld wurde in die Ausrüstung und die Bezahlung von Border Patrol Agents gesteckt. Drohnen, Hubschrauber, Bewegungsmelder im Wüstensand. Sogar israelische Überwachungstechnologie kommt hier zum Einsatz. Kein Wunder also, dass die Gewerkschaft der Grenzpolizei in diesem Wahlkampf auf der Seite von Donald Trump steht. "Die Border Patrol sollte eigentlich unsere Wasserstellen nicht dazu nutzen, um nach Migranten zu suchen, dort auf sie zu warten. Das ist aber leider nur informell, meint die ehrenamtliche Mitarbeiterin Tracey Ristow von "Humane Borders”

Am vorletzen Fass finden wir in der Nähe leere Plastikflaschen, Konservendosen, ein Tshirt. Und ein verwesender Geruch liegt in der Luft. Menschen sterben hier in der Wüste, an Wassermangel, sie verletzen sich und werden von ihrer Gruppe zurückgelassen, Hunderte von Frauen, Männern und auch Kindern starben im letzten Jahr alleine in diesem Sektor der Grenze. Einige Kreuze am Highway erinnern daran. Wir finden auch nach längerem Suchen nichts im Wüstensand, was auf den verwesenden Geruch hinweisen könnte. Im Gespräch meint Tracey Ristow, dass sie bislang noch nie hier draußen auf Migranten gestoßen sei, aber "ich habe mal eine Babyflasche und Babyschuhe gefunden. Das war für mich sehr nahegehend, dass Menschen mit ihren Kindern all das hier auf sich nehmen”.

"Humane Borders” und auch andere Gruppen, die den Migranten helfen, machen einfach weiter. Selbsternannten Bürgerwehren und lautstarken Politikern in Washington zum Trotz. Es geht um Menschen, es geht darum Leben zu retten.

Verwandte Themen


Keine Kommentare