Berliner verdient sein Geld als Graf und Tortenblogger

18.11.2011, 14:10 Uhr
Berliner verdient sein Geld als Graf und Tortenblogger

© dpa

Beide Berufe müssen erklärt werden: Wenn sich der Berliner Künstler in einem Café niederlässt und seine Sahnestücke fotografiert und kommentiert, können das Tausende seiner Internet-Freunde bei Facebook verfolgen. Auch die Medien haben den schrägen Grafen und seine Tortenkompetenz entdeckt. Zu „Mangosahne“ lautet einer seiner Einträge: „Heute spiegelt sich leider kein schönes Mädchen in der Kuchengabel.“

Blickensdorf ist mit seinem Menjou-Bärtchen, dem Kaschmir-Jackett und seinem „Grafenstock“ mit Stirlingsilberknauf eine edle Erscheinung. Früher habe er schwarze Künstlerklamotten getragen, erzählt er. Nach Berlin kam der Westfale in den 80er Jahren. Der 60-Jährige verdingte sich als Grafiker, Drehbuchautor, Komparse, Gag-Schreiber und Maler – eine Künstlertype also. Nur: Kunst kann bekanntlich brotlos sein.

Der neue Moshammer?

Vor ein paar Jahren legte sich Blickensdorf den Adelstitel und ein Familienwappen (mit zwei Pinseln) zu. Es ist ein Künstlername, so wie bei Hella von Sinnen oder Udo Jürgens. Zu diesem sage ja auch niemand „Herr Bockelmann“, erklärt Blickensdorf. Falschen Adel gebe es nicht, es sei ja nur ein Namenszusatz, kein Titel mehr. Das einzige, was er brauchte, waren Visitenkarten. „Schon war ich Graf.“

Heute spielt er die Rolle 24 Stunden und gibt Tipps für andere „Neu-Adelige“. Zum Schlafen hat Blickensdorf einen Seidenpyjama mit Wappen. Das Einstecktuch hält er mit einem Stück Karton in Form. Ein bisschen erinnert die Inszenierung als Gesamtkunstwerk an Modeschöpfer Rudolph Moshammer. „Was Marketing angeht, war der genial.“

Ziel: Ganz Deutschland soll adelig werden

Ob bei der Vorzugsbehandlung im Kaufhaus oder beim Berlinale-Empfang: Der „Gratis-Graf“ lässt es sich gutgehen, nach dem Motto „Biste was, kriegste was“. Sein Ziel sei es, ganz Deutschland adelig zu machen. „Dadurch wird man auch höflicher.“ Und wie reagiert der alte Adel? „Die mögen mich natürlich überhaupt nicht.“

Graf und Torte: Das passt gut zusammen, sagt Blickensdorf. Genüsslich verzehrt er ein Himbeersahnetörtchen im Museumscafé der Sammlung Scharf-Gerstenberg am Schloss Charlottenburg, einem seiner Lieblingsplätze. Die Kaffeemaschine hat er aus seiner Zweizimmerwohnung verbannt. Stattdessen geht er raus, zum „Konditern“ - ein Verb, das er bei Chansonsängerin Claire Waldoff fand.

Ideal findet der „Herr Graf“ Schwarzwälder Kirsch, auch Rosinenschnecken, Puddingbrezeln und Kekse („Flachgebäck“) mag er. Schweinebratengeruch, Hektik und „Torte to go“ goutiert Blickensdorf im Café hingegen ebenso wenig wie Tortenstücke, die auf der Seite liegen.

„Ich bin jetzt soweit, dass ich es zurückgehen lasse.“ Finanziell sieht es für den Grafen noch nicht so gülden aus, wie bei vielen Kreativen in Berlin. Blickensdorf bringt sich als Werbeträger ins Spiel und schielt dabei auf ein Tortenimperium. „Ich warte auf den großen Auftrag von Coppenrath & Wiese.“

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