Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann ist tot

26.10.2020, 11:54 Uhr
Thomas Oppermann starb am Sonntag im Alter von 66 Jahren.

© Britta Pedersen/zb/dpa Thomas Oppermann starb am Sonntag im Alter von 66 Jahren.

Vermutlich wollte er für die Mitbestimmungsrechte des Parlaments im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kämpfen. So, wie er das in den vergangenen Tagen schon immer wieder getan hatte. Doch dazu kam es nicht mehr. Bei Dreharbeiten mit dem ZDF brach der SPD-Politiker Thomas Oppermann zusammen, wurde in ein Klinikum gebracht und starb wenig später.

Vor kurzem erst hatte der Niedersachse zur großen Überraschung vieler Abgeordnetenkollegen wissen lassen, dass er bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr nicht mehr antreten werde. Er fühle sich jung genug, noch einmal etwas Neues anzufangen. Für Politiker ist das eher ungewöhnlich, denn sie können meistens nicht von ihrem Parlamentsmandat lassen. Oft gehen sie erst dann, wenn sie müssen. Bei Oppermann wäre das nicht der Fall gewesen. Die SPD hätte ihn gerne noch eine Legislaturperiode lang in ihren Reihen gehabt. Er hatte vier Mal nacheinander den Wahlkreis Göttingen direkt gewonnen und hätte das vermutlich auch ein fünftes Mal geschafft.

Die Wähler wussten, was sie an ihm hatten: einen nicht ideologisch auftretenden, sondern stets an pragmatischen Lösungen orientierten Politiker. Mit diesem Ansatz kam der aus einfachen Verhältnissen stammende Oppermann sehr weit. Nach dem Jurastudium, einem Prädikatsexamen und einer Tätigkeit als Verwaltungsrichter ging er zunächst in die niedersächsische Landespolitik. Unter dem Ministerpräsidenten (und späteren Bundeskanzler) Gerhard Schröder wurde er Wissenschafts- und Kulturminister.

Als Fraktionschef einer der Top-Entscheider in Berlin

Nach 15 Jahren in Niedersachsen wechselte er in die Bundespolitik, wo er bis zu seinem Tod fast genauso lange aktiv war wie im niedersächsischen Landtag. Auch in der Hauptstadt war er sehr erfolgreich. Er wurde Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, ein von Außenstehenden oft unterschätzter Posten als Strippenzieher. Zu einer der wichtigsten Figuren im politischen Berlin wurde er von 2013 bis 2017, als ihn die SPD-Abgeordneten zu ihrem Fraktionsvorsitzenden wählten. In diesem Amt war er in alle wichtigen Entscheidungen der Großen Koalition einbezogen. Vermutlich hätte er 2017 ganz gerne weitergemacht, aber die neue Parteivorsitzende Andrea beanspruchte das Amt für sich.

Thomas Oppermann durfte statt dessen in das Präsidium des Deutschen Bundestages einziehen - ein nicht ganz so einflussreicher Posten, aber mit einem gewissen Prestige versehen und durchaus öffentlichkeitsträchtig. Als Vizepräsident leitete er zahlreiche Plenarsitzungen. Und zwar ganz so, wie es seine Art war: mit Charme und Humor, aber gegebenenfalls auch mit Härte und Entschlossenheit. Immer wieder legte er sich mit der AfD an.

Seinen Interessen entsprechend, hätte der Jurist und Innenpolitiker vor allem einen Amt etwas abgewinnen können: dem des Bundesinnenministers. Doch das war mit der Rollenverteilung innerhalb der aktuellen GroKo nicht machbar gewesen. Die Union und insbesondere die CSU beanspruchten dieses Ressort für sich. Dabei hätte Thomas Oppermann gerne, wie er immer wieder versicherte, gerne in dieser Funktion an der Schaffung eines zeitgemäßen Migrationsrechts mitgearbeitet.

Die Kanzlerin ließ ausrichten: "Ich bin traurig"

Der überraschende Tod des erst 66-Jährigen erschütterte die Bundestagsabgeordneten, die derzeit wieder eine Sitzungswoche in Berlin absolvieren. Sogar die Bundeskanzlerin gab über ihren Regierungssprecher ein Statement ab: "Ich bin bestürzt und traurig über den viel zu frühen Tod Thomas Oppermanns. Ich habe ihn über viele Jahre als verlässlichen und fairen sozialdemokratischen Partner in Großen Koalitionen schätzen gelernt." Rolf Mützenich, der amtierende SPD-Fraktionschef, würdigte die "beherzte und zupackende Art" seines Vorvorgängers.

Auch aus Franken gab es zahlreiche Beileidsbekundungen. Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU, Fürth) schrieb, der Bundestagsvizepräsident sei "ein kantiger und kenntnisreicher Niedersachse" gewesen, dessen Tod ihn betroffen mache. Fraktionsjustiziar Michael Frieser (CSU, Nürnberg) erinnerte sich "an gemeinsame Sitzungen des Kunstbeirats des Deutschen Bundestages und sein Faible und Gespür für gute, moderne Kunst".

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