Millionenfach verimpft:

Das hat es mit der bedingten Zulassung der Corona-Impfstoffe auf sich

Eva Orttenburger

Online-Redaktion

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24.2.2022, 10:38 Uhr
Alle Corona-Impfstoffe in Deutschland sind vorerst bedingt zugelassen.

© Pixabay/geralt Alle Corona-Impfstoffe in Deutschland sind vorerst bedingt zugelassen.

Rund 14 Monate - also über ein Jahr - sind seit der Verabreichung der ersten Dosis des Biontech-Impfstoffs vergangen. Noch immer ist das Vakzin von der EMA nur bedingt zugelassen. Viele Skeptiker misstrauen daher den Impfstoffen. Auch einige Expertinnen und Experten kritisieren die Transparenz um die Zulassung der Corona-Impfstoffe. Von offizieller Seite wird das Verfahren nun genauer erklärt.

Was es mit der bedingten Zulassung wirklich auf sich hat

Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt das Paul-Ehrlich-Institut, die bedingte Zulassung sei eine "reguläre ('ordentliche') Zulassung", die lediglich an einige Auflagen geknüpft ist.

Sie kann im Interesse der Allgemeinheit für ein Arzneimittel erteilt werden, unter anderem wenn "der Nutzen für die öffentliche Gesundheit durch die sofortige Verfügbarkeit des Arzneimittels auf dem Markt die Risiken überwiegt". Der Antragsteller, also das jeweilige Unternehmen, das den Impfstoff zulassen will, legt umfassende Daten und Studien dann zu einem späteren Zeitpunkt vor. Es besteht jedoch die Verpflichtung für Hersteller, laufende oder neue Studien vorzulegen, die die Nutzen-Risiko-Bilanz bestätigen.

Während die Studien noch laufen, müssen die Hersteller bei der EMA kontinuierlich die erhobenen Daten einreichen. Den Zulassungsbehörden sind somit alle Zwischenergebnisse bekannt. Das Verfahren nennt sich Rolling Review. Durch dieses Vorgehen konnte die Zulassung beschleunigt werden, die Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit bleiben jedoch gleich. Die bedingte Zulassung wird unter anderem auch auf Basis dieser kontinuierlich eingereichten Daten verlängert.

Bedingte Zulassungen sind nur ein Jahr lang gültig und können dann erneuert werden. Dies war beispielsweise im November 2021 der Fall, als die EMA die bedingte Zulassung für den Biontech-Impfstoff verlängerte.

Zudem werden die Corona-Impfstoffe auch von anderen Stellen, wie Universitäten, staatlichen Institutionen oder kommerziellen Stellen der pharmakologischen und klinischen Forschung durch Studien begleitet und untersucht. Diese sind zwar nicht Teil des formalen Zulassungsprozesses, sie können jedoch die Wirksamkeit und Sicherheit bestätigen.

So erhalten Impfstoffe eine unbeschränkte Zulassung

Erst wenn "umfassende Daten" über das Vakzin vorliegen, kann die bedingte Zulassung in eine normale Zulassung mit unbegrenzter Gültigkeit umgewandelt werden, die dann keinen spezifischen Verpflichtungen mehr unterliegt. Diese ist dann für fünf Jahre gültig, kann aber unbegrenzt verlängert werden.

Das Paul-Ehrlich-Institut betont dabei, dass alle in der EU und damit in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffe eine bedingte Zulassung erhalten haben, damit sie schneller auf den Markt kommen. "Normalerweise können 15 bis 20 Jahre vergehen, ehe Hersteller einen Impfstoff zur Marktzulassung bringen", heißt es auf der Website des Bundesgesundheitsministerium als Begründung für die bedingte Zulassung. Die Impfstoffe haben trotzdem alle Phasen der Arzneimittelentwicklung erfolgreich durchlaufen, das Verfahren wurde lediglich beschleunigt.

Kritik von Experten

Kritiker merken unterdessen an, dass wichtige Studien zu Sicherheit und Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe der EMA noch nicht vorliegen, um die Standards für eine reguläre Zulassung zu erfüllen. Unter anderem geht es um produktionstechnische Nachweise bis hin zu Standardverträglichkeitsstudien. Eine umfassende Liste finden Sie hier.

Bis Juli 2021 sollten diese von den Herstellern nachgereicht werden. Die Frist verstrich jedoch und die EMA verlängerte die "bedingte Zulassung".

Gegenüber der Welt zeigt sich Pharmaexpertin Susanne Wagner skeptisch, "ob die Hersteller ihre Produkte jemals in Europa regulär zulassen wollen". Ihr sei die Notlage durchaus bewusst, die eine bedingte Zulassung gerechtfertigt. Doch über ein Jahr nach dem Markteintritt könnten die Hersteller "zumindest einen Teil der Studien" vorlegen.

Top-Virologe fordert mehr Transparenz

Auch der Virologe Alexander Kekulé kritisiert die fehlende Transparenz in dieser Sache: "Bei den mRNA-Impfstoffen handelt es sich um neue Wirkstoffe. Vor allem bei den darin enthaltenen Lipiden sind einige Standardauflagen, etwa bezüglich der Herstellung, schwierig zu erfüllen. Ich weiß nicht, welche Gründe Pfizer hat, die Auflagen der EMA innerhalb der Fristen nicht zu erbringen, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Gründe transparenter gemacht werden. Man sollte hier den Querdenkern keine Munition liefern."

Die EMA rechnet mit der vollständigen Zulassung erst im Jahr 2024. Bis dahin seien alle Studien abgeschlossen und Sicherheitsdaten aus der zweijährigen klinischen Phase-3-Studie könnten ebenfalls mit eingebracht werden.

Das Paul-Ehrlich-Institut erklärt dazu auf Nachfrage: "Das Zulassungsverfahren dauert nicht lange – die COVID-19-Impfstoffe sind regulär zugelassen und seit mehr als einem Jahr sehr erfolgreich und weltweit milliardenfach im Einsatz." Ein genaues Datum für den Übergang zu einer unbefristeten Zulassung kann das Institut jedoch nicht nennen und verweist in dieser Frage auf die EMA.

"Ein Jahr ist in der Forschung nichts"

Auch Dr. Jasmin Fertey, Arbeitsgruppenleiterin für Impfstoff-Technologien am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie erklärt: "Ein Jahr ist in der Forschung eigentlich nichts. Wenn ein Projekt nach fünf Jahren ein Ergebnis erzielt, dann ist das schon total schnell." Somit dürfte die unbeschränkte Zulassung der mRNA-Impfstoffe noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Information der Redaktion: Eine Stellungnahme des Impfstoff-Herstellers Biontech steht derzeit noch aus. Sobald diese vorliegt, wird sie im vorliegenden Text ergänzt.

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