Entsetzen über religiöses Mobbing an Berliner Grundschule

26.3.2018, 19:18 Uhr
Eine Zweitklässlerin soll an einer Berliner Grundschule von einem Jungen angepöbelt worden sein, weil sie nicht an Allah glaubt. Zudem wurde ihr in bedrohlichem Tonfall "Jude" zugerufen. (Symbolbild)

© dpa Eine Zweitklässlerin soll an einer Berliner Grundschule von einem Jungen angepöbelt worden sein, weil sie nicht an Allah glaubt. Zudem wurde ihr in bedrohlichem Tonfall "Jude" zugerufen. (Symbolbild)

Ein mutmaßlicher Fall von religiösem Mobbing an einer Berliner Grundschule sorgt bundesweit für Entsetzen und Erschütterung. An der Paul-Simmel-Grundschule in Berlin-Tempelhof soll laut Bericht der "Berliner Zeitung" die Tochter eines 41-Jährigen von muslimischen Schülern angepöbelt worden sein, weil sie nicht an Allah glaubt.

Das Mädchen wurde dem Zeitungsbericht zufolge von einem Mitschüler gefragt, ob sie Jüdin sei. Da ein Elternteil jüdischer Herkunft ist, habe sie das bejaht, woraufhin der Schüler das Wort "Jude" mehrfach in bedrohlichem Tonfall wiederholt habe. Bei einem früheren Vorfall sei seine Tochter sogar mit dem Tode bedroht worden, sagte der Vater.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte dem "Tagesspiegel" (Dienstag), Judenhass an Schulen sei ein rapide wachsendes Problem. Immer häufiger würden antisemitische Vorfälle bekannt, die von muslimischen Schülern ausgehen, sagte Schuster der Zeitung. "Das ist zutiefst beunruhigend und erfüllt mich mit großer Sorge."

Berlins Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach in der gleichen Zeitung von einem furchtbaren und besorgniserregenden Vorfall - "der hoffentlich nur ein Einzelfall ist und bleibt". Die Gesellschaft sei aufgefordert, sich entschieden gegen antisemitische Äußerungen zu stellen, sagte Müller.

"Die Vorfälle sind erschütternd"

Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke), forderte in der Bild-Zeitung (Dienstag) eine Analyse der antisemitischen Vorfälle an deutschen Schulen. "Die Vorfälle sind erschütternd und wir sind alle aufgefordert, uns damit auseinanderzusetzen", sagte Holter. Schule sei aber nur ein Teil des gesellschaftlichen Alltags.

Mit Verweis auf die aktuelle Islam-Debatte sagte Holter, gesellschaftliche Gruppen reagierten auf Ausgrenzung mit Abschottung. Neben dem Wert der Religionsfreiheit müsse immer wieder klar gemacht werden, dass es insbesondere für Antisemitismus in diesem Land null Toleranz gäbe, "keinen Millimeter", so Holter.

Die Berliner Bildungsverwaltung teilte auf epd-Anfrage mit, voraussichtlich nächste Woche werde zu dem Vorfall ein Gespräch stattfinden. Daran beteiligt sind demnach Schulaufsicht, Schulleitung, Eltern, die Antidiskriminierungsbeauftragte und Schulpsychologen. Ziel sei, über Maßnahmen in dem konkreten Fall zu beraten, aber auch, "was die Schule insgesamt unternehmen kann".

Enthauptungsvideo in einer Chatgruppe

Die Schulleitung habe die Bildungsverwaltung über verschiedene Fälle in den vergangenen zwei Jahren informiert. Dabei gehe es auch um ein Enthauptungsvideo, das in einer Chatgruppe zirkuliert sein soll. Dazu habe es Gespräche der Polizei mit den Eltern der betreffenden Schüler und einen Elternbrief an die Erziehungsberechtigten der Mitschüler gegeben. Im Falle der Bedrohung des Mädchens seien die Eltern des verantwortlichen Jungen einbestellt worden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte der Bild-Zeitung (Montag): "Die Regeln unseres Zusammenlebens klar zu vermitteln, kann nie früh genug anfangen - schon in den Kitas und Grundschulen." Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sieht eine wachsende Polarisierung und Verschlechterung der Zustände an Problemschulen in Brennpunkt-Bezirken. Der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte in der Bild-Sendung "Die richtigen Fragen“ (Montag), verpflichtende Elternabende und eine Art Meldepflicht für rassistische Übergriffe an Schulen ein.

Berlins evangelischer Bischof Markus Dröge zeigte sich ebenfalls entsetzt: "Wenn Kinder sich untereinander aus religiösen Gründen mobben, anstatt staunend und neugierig darauf zu schauen, was sie voneinander unterscheidet, ist Handeln dringend geboten", mahnte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der Respekt vor dem Glauben und den Überzeugungen des anderen gehörten zu den tragenden Umgangsformen in unserer Gesellschaft, die von jeder Religionsgemeinschaft zu erwarten seien.

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